Obamamania im Internet: Web-Server überstehen Ansturm
Nach der Amtseinführung von US-Präsident Obama ziehen die Websites Bilanz: Welche brach zusammen, wo klappte die Übertragung? Klar ist: Mehr Online-Video-Abrufe gab es nie.
Am Dienstag herrschte die große Obamamania im Internet: Alle großen Nachrichtenangebote aus dem In- und Ausland berichteten live, zahlreiche Videodienste übertrugen. Zwei Tage nach der Inauguration, der feierlichen Amtseinführung des neuen US-Präsidenten, steht bereits fest: Es war einer der abrufstarksten Internet-Tage, die es je gegeben hat. Ob es "der" größte Online-Tag aller Zeiten war, wissen die Experten allerdings noch nicht; andere Großereignisse wie die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele oder die letzte Fußball-WM sind starke Konkurrenten. Klar ist allerdings: Online-Technik wurde selten derart massiv beansprucht wie am 20. Januar 2009.
Zum Glück haben die Administratoren und Programmierer inzwischen Erfahrung mit solchen Großkampftagen. Die meisten populären Internet-Angebote hielten erstaunlich gut durch, Komplettausfälle gab es kaum, nur Verlangsamungen. Der Kommunikationsdienst Twitter, der einst als enorm anfällig galt und schon bei kleineren Veranstaltungen wie der Apple-Messe "Macworld" ausfiel, weil ihn zu viele Nutzer zur Mitteilung ihrer aktuellen Stimmungslage verwenden wollten, zeigte nur kurze Momente der Überbeanspruchung - direkt nach der Vereidigung war das Angebot für einzelne Nutzer nicht erreichbar, etwas später dann aber schon. Viele Twitter-Nutzer meldeten sich direkt vom Veranstaltungsort der Inauguration auf der National Mall in Washington, erläuterten, wie sie sich fühlten und verlinkten auf aktuelle Bilder des Events, die sie auf Dienste wie Twitpic oder Flickr per Internet-Handy hochluden. Twitter demonstrierte einmal mehr seine Fähigkeiten als Plattform für eine neue Form von Bürgerjournalismus: Schon beim spektakulären Absturz einer Maschine im New Yorker Hudson River lieferte das Angebot kürzlich erste Bilder.
Mehrere US-Mobilfunkprovider hatten am Veranstaltungsort extra große Mengen zusätzlicher Basisstationen aufgestellt, um eine Kommunikationsabdeckung der bis zu zwei Millionen Zuschauer sicherzustellen. Ohne diese Technik, die in Form kleiner Gestelle und LKWs rund um das US-Kapitol platziert war, wäre das Netz wohl sofort zusammengebrochen.
Wer lieber zuhause geblieben war, konnte sich über verschiedene Live-Übertragungsangebote freuen. Die US-Sender MSNBC und Fox übertrugen qualitativ hochwertige Videostreams direkt im Netz; Fox nutzte die kostenlose Film- und Fernsehplattform Hulu, die anlässlich des besonderen Ereignisses endlich einmal auch für ausländische Benutzer freigeschaltet war, sonst aber nur US-Bürgern zugänglich ist. Bei den Livestreams waren vor allem diejenigen bevorzugt, die frühzeitig ein entsprechendes Angebot angewählt hatten: Kurz vor der Vereidigung gab es kein Durchkommen auf die Server mehr, bestehende Übertragungen liefen aber weitgehend frei von Unterbrechungen weiter. Der Netzwerkbetreiber Akamai, der auf die Auslieferung großer Datenmengen wie Videos spezialisiert ist, meldete 5,4 Millionen Besucher pro Minute, die sich auf große Nachrichtenangebote begaben; bei der Wahl des US-Präsidenten Obama waren es allerdings etwas mehr. CNN.com meldete mehr als 146 Millionen Seitenabrufe und 21,3 Millionen Live-Streams, die ausgeliefert wurden. Insgesamt erhöhte sich die Nutzung von Nachrichtendiensten um mindestens ein Viertel über dem Normalmaß. Verlangsamungen beim Seitenabruf meldeten unter anderem die US-Sender ABC, CBS, NBC, Fox Business und NPR; auch große Zeitungen wie Wall Street Journal, USA Today und New York Times litten unter dem Ansturm, fielen aber nie ganz aus. Besonders viel Nachfrage gab es direkt bei der Vereidigung und danach bei Obamas Ansprache zur Amtseinführung.
Einen groben Internet-Fauxpas leisteten sich die Veranstalter der ansonsten perfekt inszenierten Inauguration dann allerdings doch: Die offizielle Website zur Amtseinführung, ausgerichtet vom "Presidential Inaugural Committee", hatte einen Vertrag mit Microsoft geschlossen, dessen Technik "Silverlight" für die Online-Übertragung zu nutzen. Die Software, mit der der Softwareriese der populären Flash-Technologie Konkurrenz machen will, musste erst heruntergeladen werden und lief zudem nur unter Umwegen auf Linux- und älteren Macintosh-Rechnern. "Was haben die sich dabei gedacht?", kommentierten IT-Blogs.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!