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Archiv-Artikel

ORTSTERMIN: TAGUNG DER PIRATEN-LANDTAGSFRAKTION IN DER ECKERNFÖRDER GASTSTÄTTE „ABSEITS“ In der Antragsfabrik

Repräsentative Demokratie ist schön, weil sie im Normalfall verhindert, dass sich jeder mit allen Fragen beschäftigen muss

Die Kunststofftische in Holzoptik sind in der Mitte des Gastraums zusammengeschoben, die Laptops aufgeklappt, die Leinwand in der Ecke ist bereit. Aber bevor es losgehen kann, stellt sich die wichtigste Frage von allen: „Hat jemand WLAN-Zugang?“

Die Abgeordneten der Piratenfraktion im Kieler Landtag – vollzählig bis auf Wolfgang Dudda – sind aus der Landeshauptstadt nach Eckernförde gereist, um öffentlich in der Gaststätte des Sportvereins zu tagen. Und nun das: Es gibt kein WLAN im „Abseits“. Es dauert einen Moment, bis die Krise gemeistert ist, dann erklärt Fraktionschef Patrick Breyer den etwa 20 Gästen, warum die Piraten hier sind: Jede Sitzung werde zwar im Internet übertragen, aber „da uns nicht jeder zuhört, haben wir gedacht, es ist spannender, wenn wir mal rausfahren“.

Franc Meyn vom Rendsburger Piraten-Stammtisch fügt hinzu: „Das ist jetzt keine Show, da ist nichts gestellt.“ Die Besucher nicken. Einige haben selbst Laptops dabei, die Mehrzahl konzentriert sich auf die Teller vor ihnen, auf denen Würste in dampfender Currysoße schwimmen.

Ein Hauch Anspannung liegt neben dem Wurstduft in der Luft: Der Abgeordnete Uli König hat sich einen „Failure“ geleistet – er hat eine Sitzung ohne Wissen der Anwesenden aufgezeichnet, was erstens illegal sein könnte und zweitens gegen die piratige Grundhaltung zum Schutz persönlicher Daten verstößt. Die Fraktion brauchte drei Wochen, um den Fehler einzuräumen, und musste einige Kritik einstecken: „Tretet zurück! Allesamt!“, schrieb Nutzer „Rasputin“ im Fraktionsblog, ein anderer höhnte: „Nun habe ich auch Zweifel an unserer Fraktion. Toll gemacht.“

Doch beim „Piraten-Grillen“, dem Tagesordnungspunkt, an dem die Basis die Funktionsträger mit Fragen löchern darf, bleibt alles friedlich. Die Abgeordneten erzählen erstmal, was jeder so gemacht hat. Angelika Beer war in St. Petersburg, beim Friesenkongress und beim Kaninchenzüchterverband: „Die erwarten, dass die Piraten sie unterstützen.“ Torge Schmidt war beim Ausschuss, der sich mit der HSH Nordbank beschäftigt. Darüber darf er aber nichts sagen, da gilt Geheimhaltung, wenn er die verletzt, gibt es Ärger. „Knast?“, fragt der Abgeordnete Sven Krumbeck mit kleiner Stimme. Schmidt nickt ein wenig stolz.

Außerdem musste Schmidt einige Interviews geben, es ging um ärgerliche Dinge wie Königs „Failure“ und die abnehmende Strahlkraft der Partei. „Ich fühle mich schon ziemlich im freien Fall“, sagt Schmidt, und das klingt ganz schön ernst für einen, der gerade 24 geworden ist.

Weitere Gäste bestellen Wurst, die Fraktion bereitet die nächste Landtagssitzung vor. Sollen die Piraten beantragen, dass Änderungen der Landesverfassung nur mit Volksabstimmung möglich sind? Sollen sie beantragen, dass das Land ein Konto einrichtet, auf das Spenden für Landesprojekte eingezahlt werden können? Sollen die Piraten einem Berichterstattungsantrag der SPD beitreten, in dem um einen Sachstand zur Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes gebeten wird?

Etwa bei diesem Tagesordnungspunkt zeigt sich, wie schön repräsentative Demokratie ist, weil sie im Normalfall verhindert, dass sich jeder mit allen Fragen beschäftigen muss. Die Bürgervorsteherin von Eckernförde, Karin Himstedt, die als Gast im Raum sitzt, fasst zusammen: „So viel anders als in unseren Fraktionssitzungen ist es nicht.“ Sie meint die örtliche CDU. ESTHER GEISSLINGER