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Archiv-Artikel

ORTSTERMIN: MIT LICHTFLÖSSER MARKUS UNTERWEGS AUF DER DUNKLEN OKER Schwimmendes Sponsoring

Flößer Markus,beidohrig beringt, verteilt leuchtende Armbändchen, damit man sich beim späteren Landgang nicht verliert. Wer will, kann zur Erinnerung noch ein Minipolaroid mitnehmen, stets zu zweit: Die Karten für die nächtliche Fahrt auf der Braunschweiger Okerumflut wurden ausschließlich paarweise vergeben. Dann legt Markus los – mit dem Flößen und dem Reden. Nun bekommt die ZuhörerIn pausenlos Döhnekens verabreicht, vielleicht auf tröstliche Wirkung durchs kühle Flaschenbier hoffend.

Von einem lokalen Wurstfabrikanten wird da beispielweise erzählt, der – „bitte den Blick nach links!“ – einer ansehnlichen Gründerzeit-Villa letzte Maßnahmen angedeihen lässt. (Maßnahmen übrigens der verunstaltenden Art.) Oder vom Firmenchef einer Billigtextilkette: Der verschanzt sich und sein riesiges Anwesen nebst großem Privatpark hinter einer zweieinhalb Meter hohen, begrünten Zaunanlage, Typ Zonengrenze. Ob Besucher da wohl nur nach Zwangsumtausch reingelassen werden? „Das darf der doch“, kommentiert eine Dame. „Und der sponsert in Braunschweig sooo viel…“

Nein, es ist nicht das „Radeau de la Méduse“, das Floß der Medusa, das derzeit an jedem Wochenenden auf der Oker kreuzt. Greifen auf Géricaults Historiengemälde verzweifelte Schiffbrüchige zur ultima ratio des Kannibalismus, bietet das welfische Pendant, das „Radeau de lumières“, immerhin den erwähnten Landgang mit Fingerfood. Hintergrund des nächtlichen Fluss-Events ist, mehr oder weniger, Kultursponsoring: 1.000 Menschen nehmen per verlostem Ticket an der exklusiven Floßfahrt teil und werden unter anderem zu einem Teil des sommerlichen Lichtparcours (taz berichtete) geschippert. Und unterstützen, im freiwilligen Gegenzug, die dauerhafte Beleuchtung der beiden klassizistischen Torhäuser des örtlichen Museums für Photographie durch Spenden. Diese baukulturellen Schmuckkästchen sind kürzlich umfassend renoviert worden. Und weil Fotografie ja irgendwie mit Licht zu tun hat – und sprudelnder Spendenquell stets von kultivierter Zivilgesellschaft zeugt – ersannen Kuratoren und Organisatoren die nächtliche Allianz.

Nach einer guten Stunde Fahrt ist jeweils die „Okercabana“ erreicht, der Kunststrand, wie ihn offenbar jede Stadt braucht. Hier folgt, all inclusive, das Fingerbuffet mit Getränk. Nun übernimmt das Stadtmarketing, zu Fuß geht es weiter zum Landteil des Lichtparcours. Gefühlte Hundertschaften sind hier unterwegs. Gibt es denn sonst wirklich nichts Schöneres in Braunschweig? Aber auch der Parcours ist flink umrundet. Das Floß wartet nämlich schon.

Auf der Rückfahrt erscheint auch die Wasserfläche übervölkert: überall Flöße, Spreewaldkähne, einzelne Boote, ein einziges Verkanten und Geschiebe. Markus lobt sein Unternehmen, das mit Licht fährt, anders als die Konkurrenz. Es geht zu weiteren Lichtkunstattraktionen, die wasserseitig zu bestaunen sind, um Mitternacht ist Schluss.

Der Erlös der Spendenakquise hüllt sich übrigens in Dunkel. Aber auch das Floß der Medusa war ja kein Erfolgsmodell: Von den 147 Schiffbrüchigen kamen nicht einmal fünfzehn durch. BETTINA BROSOWSKY

Bis 15. September werden Karten verlost. Teilnahme per E-Mail: 1000buerger@lichtfloss.de, per Post: 1.000 Bürger auf die Oker, Postfach 37 52, 38027 Braunschweig