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Archiv-Artikel

ORTSTERMIN: IN KIEL GEHEN ERZIEHER FÜR HÖHERE LÖHNE BADEN Im Neoprenanzug in die Förde

Viel Text für eine kurze Botschaft: Die Mitarbeiter wollen mehr Anerkennung – und zwar in Form von Geld

Kai Tellkamp hat nicht viel Material mitgebracht. Ein Mikrofon, einen kleinen Verstärker, einen Stapel Papiere. Tellkamp ist der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende der Gewerkschaft Komba. Er hatte angekündigt, den Luther zu machen – und Thesen an die Tür des Hauses der kommunalen Selbstverwaltung zu schlagen. Thema: Die Tarifverhandlungen über die Beschäftigten im Sozial und Erziehungsdienst der Kommunen. Für die organisierten Erzieher und Sozialpädagogen hat die vierte Streikwoche begonnen, etwa 80 stehen jetzt um Tellkamp herum, sie haben Fahnen und Transparente mitgebracht, viele tragen Streik-Shirts oder Pullover, manche auch eine violette Weste oder Scherpe, auf denen der Beruf zu lesen ist.Tellkamp steht auf der Treppe zur Tür des Hauses.

Von dem Plan der Thesen-Hämmerei ist nichts mehr zu hören: „Wir wollen eine Resolution übergeben – damit wollen wir für den notwendigen Schwung sorgen“, sagt Tellkamp in seiner Ansprache. Ein Mitstreiter kommt mit einem aufgerollten, großen, Tür-langen Plakat, das Tellkamp, offenbar Anhänger religiöser Anspielungen,Tora nennt. Tellkamps Kollege klebt das Plakat an eine der Eingangstüren. Es ist viel Text, den Tellkamp verliest, für eine eigentlich kurze Botschaft: Die Mitarbeiter wollen mehr Anerkennung – und zwar in Form von Geld.

Von der Komba hört man nicht viel – auch nicht in diesem Streik. Es ist die etwas kleinere, leisere und für die Mitglieder günstigere Konkurrenzorganisation zu Ver.di aus dem Beamtenbund – auch wenn die beiden jetzt zusammen mit der GEW am Verhandlungstisch sitzen. Von den beiden Organisationen sind jeweils eine Hand voll Mitglieder zur Aktion gekommen.

Nach nicht einmal 15 Minuten ist die Rede vorbei, die Gruppe zieht weiter auf dem Bürgersteig. Das Ziel ist die Seebar, ein Café auf einer Seebrücke mit Einstieg für Badende in die Förde – dem alten Seebad Düsterbrook.

Der Weg führt die Kiellinie direkt am Wasser entlang vorbei am Landtag, Segelschiffen und Häusern mit Dachterrassen. Drei Frauen gucken neidisch. „Hübsch, ne“, sagt eine. „Das kostet aber auch ’nen paar Mark“.

Am alten Seebad wollen dann etwa 15 der Streikende ins Wasser steigen. Die Förde ist so warm wie die Luft – 14 Grad Celsius. Doch die Gruppe diskutiert mit ihrem Landesvorsitzenden, der sich an der Aktion nicht beteiligen will, welche der drei Treppen am besten zu nehmen ist, das beste Bild liefert. Eine junge Frau im Neoprenanzug geht schließlich einfach voran, die Treppen hinab und taucht mit dem Kopf voran hinunter – die anderen, ohne wärmenden Anzug, folgen etwas langsamer. An einer flachen Stelle der Förde halten sie Plakate hoch. Tellkamp ist gerührt, fasziniert und etwas überschwänglich. „Ihr seid ja mutig“, sagt er. „Richtig klasse, toll!“ Immer wieder. Es klingt so, als habe er selbst nicht damit gerechnet, dass jemand für so eine Aktion ins kalte Wasser geht. Er bietet zunächst warme Getränke auf Gewerkschaftskosten für die Schwimmerinnen in der Bar an. Dann Alkohol.

DANIEL KUMMETZ