ORTSTERMIN: DIE TIERECHTSORGANISATION PETA DUSCHT FÜR DEN KLIMASCHUTZ : Mission statt Tabubruch
Sie heißen Hanna und Laura, sind beide 20, und – natürlich – das, was gemeinhin als gutaussehend erachtet wird. Vor allem aber sind sie spärlich bekleidet, denn darauf kommt es an, die jungen Damen werden uns schließlich nicht nur als „sexy Vegetarierinnen“ angepriesen. Sie sind vor allem AktivistInnen der Tierschutzorganisation Peta, also „People for Ethical Treatment of Animals“. Gestern standen sie in Hamburg an der Mönckebergstraße, Haupteinkaufsmeile der Stadt, und in Bremen direkt hinter dem Dom, heute dann in Münster und Dortmund, und so weiter. Überall dort sind Hanna und Laura mit dabei, ziehen sich aus, duschen eine halbe Stunde lang, halbwegs züchtig hinter wasserblauem Vorhang. Und setzen dazu professionelles Kameralächeln auf, sobald einer zu nahe kommt, der nach Journalist aussieht.
An sie vor allem richtet sich die Aktion ja, und wann zieht sich schon mal ein Mann für Peta aus, vielleicht abgesehen von Musiker Thomas D.? Doch, so wird in Bremen eilig vermeldet, ein junger Peta-Mann: Er hat sich spontan entschlossen, eine der duschenden Damen abzulösen. Auch D. hat jüngst zumindest seinen nackten Oberkörper für Petas missionarische Vegetarierkampagne hergegeben. Denn genau darum geht es bei Hanna und Laura. Duschen für den Weltfrieden, äh: den Klima- und Tierschutz. Die Tierwirtschaft, so rechnet es Peta vor, „verursacht mit 18 Prozent Emissionen mehr Treibhausgase als der gesamte globale Verkehr“. Und ein Kilo Fleisch, das sind, also rein CO[2]-rechnerisch betrachtet, genau so viel wie 250 Kilometer Autobahnfahrt, 15.000 Liter Wasser und ein Jahr Duschen, sagt Anja Hägele von der Kampagne. Von den methanhaltigen Rinderfürzen mal ganz abgesehen. Nur Butter ist noch schlimmer, so Hägele, Tofu aber 20-mal besser. Sie ist selbstverständlich eine Veganerin, seit fünf Jahren, und ihre neuen schwarzen Stiefel, nein, sie sind nicht aus Leder.
„Wasch dein Gewissen rein“, steht auf dem Duschvorhang hinter dem das Petaeske verschwindet. Es ist die Parole zur moralischen Ablassaktion. Wer kein Fleisch isst, der kann sich also guten Gewissens zurücklehnen, darf vielleicht sogar mehr Autofahren. Oder in die Badewanne. Das ist natürlich nichts im Gegensatz zu „Wo es um die Tiere geht, wird jeder zum Nazi“ oder „Der Holocaust auf Ihrem Teller“, aber solche Peta-Vergleiche nebst dazugehörigen Bildern aus Konzentrationslagern und Legebatterien hat das Bundesverfassungsgericht ja als „Bagatellisierung und Banalisierung des Schicksals der Holocaust-Opfer“ verboten. „Wasch dein Gewissen rein“ – das ist also kein Tabubruch mehr und nichts, was Peta noch als jene „modernen Guerilleros“ kennzeichnet, als die sie der Spiegel einst charakterisierte. Nichts, womit sie noch als der „agent provocateur“ gelten können, als die sie sich selbst gerne bezeichnen. Es ist nur noch quasireligiös, ein bisschen wie bei den Wachturm-Leuten. Dennoch ist Peta mit mehr als zwei Millionen UnterstützerInnen weltweit – nach eigenen Angaben – immer noch die größte Tierrechtsorganisation. In Deutschland waren es 2008 rund 22.000 Mitglieder, und das Spendenaufkommen lag bei rund 1,5 Millionen Euro. Tendenz steigend: 2004, im Jahr der Holocaust-Kampagne, waren es noch eine halbe Million weniger Spenden. Daneben bilanziert der Jahresbericht aber auch die mediale Resonanz: Vor zwei Jahren zählte Peta Deutschland über sich 5.000 Berichte mit einer Verbreitung von über 200 Millionen LeserInnen, 400 Leserbriefe, 250 Interviews.
„Die größte Plage auf dieser Welt sind die Menschen“, hat der Chef von Peta Deutschland mal gesagt. Doch an diesem Tag sind kaum Journalisten gekommen, in Hamburg gar noch weniger als in Bremen, dafür ein paar Kerle, die sogleich ihre Handykamera zücken, ein junger Mann mit Überbiss und rotem Base-Cap von der Bild am Sonntag. „Jede Interessengruppe, die geliebt werden möchte, ist zum Scheitern verurteilt“, sagte einst Peta-Vizepräsident Dan Mathews. Und auch ihre veganen Rezepte, so heißt es, die werden geliebt. Von Veganern. JAN ZIER