ORTSTERMIN: BRAUNSCHWEIGS NEUES SCHLOSSMUSEUM WIRD ERÖFFNET : Konjunkturpaket Thronsaal
Einige hundert Menschen haben sich auf dem Schlossplatz versammelt. Außerplanmäßig ertönt um 13 Uhr das Mittagsgeläut vom nahen Dom, danach ein dreifacher Salut der Braunschweiger Jäger und der Kinder des Domchors. Noch einige kurze Ansprachen von Oberbürgermeister und Landesministerin für Kultur, dann geht es, nicht ohne dass ein rotes Band zerschnitten würde, hinein in die Pracht.
Ein beißender Geruch, bös nach Chemie, steht noch in den Räumen. Der OB sucht umgehend nach dem Hinterausgang und fragt, ob sein Fahrer da auch sei. Die Kulturdezernentin aber bleibt. „Jetzt kommt das Volk“, sagt sie, als die Massen langsam eintröpfeln.
Die Räume selbst, sie sind ernüchternd: Revisionsklappen im Rigips, Brand- und Bewegungsmelder sowie Lüftungsschlitze an den Decken. Ein dekoratives Säulenpaar klingt hohl wie aus Pappmaché. Auch das Mobiliar scheint ohne Dramaturgie aneinandergereiht. Und dann immer der Blick nach draußen: ein Fischimbiss, ein lokaler PC-Händler, ein Herrenausstatter werben hautnah vis-à-vis im neuen Shopping Center – da helfen auch die Draperien am Fenster nicht so recht.
85 Prozent der Einrichtungsgegenstände sollen Originalstücke aus dem ehemaligen Schloss sein, zur Verfügung gestellt von Museen und Privatsammlungen. Einiges davon wurde 2005 auf der spektakulären Auktion im Welfenschloss Marienburg ersteigert. Damals kamen etwa 20.000 Gemälde, Waffen, Uhren, Rüstungen, Silber, Porzellan und anderes aus Kellern und Dachböden der Welfenprinzen unter den Hammer – und brachten dem klammen Hause rund 44 Millionen Euro ein.
Die Räume aber, in denen diese Versatzstücke nun drapiert sind, wurden frei erfunden: Ein Berliner Architekturbüro für Denkmalpflege und eine – aufgabengerecht selbst adelige – Innenarchitektin aus Stuttgart haben eine so nie da gewesene Enfilade ersonnen, eine Flucht von Räumen, als deren End- und Höhepunkt der auferstandene Thronsaal Herzog Wilhelms dient. Das Ganze wird verkauft als „Raumkunstmuseum“, dessen Aufgabe ein „Raumerlebnis“ ist, das zur „Stärkung der braunschweigischen Identität“ beitragen soll – von seriöser Ambition musealer Geschichtsvermittlung also keine Spur.
Gut drei Millionen haben der Innenausbau und die Einrichtung des Museums direkt neben dem Shopping Center in der Braunschweiger Schlosskulisse gekostet. Davon übernahmen heimatverbundene Sponsoren den Löwenanteil, die Kommune rund 900.000 Euro und sogar aus dem staatlichen Konjunkturpaket II flossen knapp 300.000 Euro. Womit man andernorts marode Schulen saniert hätte: In Braunschweig floss es in die Nachbildung von sechs ehemals herzoglichen Sälen und einem Vestibül. Auf den laufenden Kosten übrigens bleibt die Stadt alleine sitzen, in einer Ratsvorlage wurden sie mit 235.000 Euro jährlich beziffert. Aber es dürfte, schon wegen arg niedrig angesetzter Budgets für Wechselausstellungen und eine eine halbe Kuratorenstelle, alles noch deutlich teurer werden.
Ein leibhaftiger Welfe ist ganz hinten im Thronsaal anzutreffen: Prinz Heinrich aus Hannover schwärmt von den vielen dynastischen Portraits aus der Marienburg, die nun alle hier wieder zusammen hingen. Und er erzählt von der Stolpergefahr, die der Thron mit seinen zu knappen Stufen berge. Den habe er einst Ministerpräsident Glogowski empfohlen, als Training zum Stürzen sozusagen. Wie er denn nun den Blick nach draußen finde, wird gefragt. „Ich schaue eh nicht gern raus“, antwortet der Prinz sibyllinisch, „und schon gar nicht hinunter.“ BETTINA MARIA BROSOWSKY