OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Nachdem französische Kulturschaffende Anfang 1997 zum Widerstand gegen die Einwanderungspolitik der damaligen konservativen Regierung aufgerufen hatten, sprach der zuständige Minister reichlich hochtrabend eine „Einladung“ an den Regisseur Bertrand Tavernier aus, dieser könne ja selbst einmal in einem Problemviertel wie Grands Pêchers wohnen, um zu sehen, dass Integration kein Kino sei. Im Klartext hieß das: Kümmert euch um euren eigenen Kram. Doch Tavernier und sein Sohn Nils akzeptierten die „Einladung“, zogen mit ihrer Videokamera in die Hochhaussiedlung des Pariser Vororts Montreuil und dokumentierten das Alltagsleben der Bewohner. Das Ziel ihres Films „De l’autre côté du Périph‘“ war es, einerseits nichts zu beschönigen, andererseits aber auch mit dummen Vorurteilen aufzuräumen. Und so kommt hier denn so ziemlich alles zur Sprache: die gravierenden Probleme von Arbeitslosigkeit und Vandalismus, die Spannungen zwischen Jugendlichen und der Polizei, aber auch die entstehende Solidargemeinschaft der Bewohner, als der Kindergarten geschlossen werden soll, oder die kleinen Fluchten ins Private, etwa wenn sich einer der Anwohner in seiner winzigen Wohnung eine eigene Disco einrichtet. Letztlich zeigen die Taverniers Grands Pêchers als einen zwar keineswegs spannungsfreien Ort, an dem sich die Menschen ganz verschiedener Kulturen aber dennoch zu einer funktionierenden Gemeinschaft zusammenfinden.
Warum nur sind die Romanvorlagen Erich Kästners so unverwüstlich? Bis zum heutigen Tag haben „Emil und die Detektive“, „Das doppelte Lottchen“ und „Das fliegende Klassenzimmer“ bereits diverse Verfilmungen gesehen, in denen man zwar das Ambiente jeweils ein wenig auffrischte, den Kern der Geschichten jedoch weitgehend unberührt ließ. Vermutlich lag dies an Kästners Fähigkeit, Kinder mit großer Leichtigkeit ernst zu nehmen, ohne sie dabei zu kleinen Erwachsenen zu machen: Er vergaß nie, was den Spaß und das Abenteuer des Jungseins ausmacht. Tomy Wigands Verfilmung von „Das fliegende Klassenzimmer“ (2002) ist die dritte Bearbeitung von Kästners Internatsroman, und auch hier tauchen die zentralen Episoden nahezu unverändert auf: die Entführung Kreuzkamms durch rivalisierende Schüler und seine Befreiung aus dem Keller, die große Schneeballschlacht sowie die Mutprobe des kleinen Uli. Und an den wenigen Stellen, an denen „modernisiert“ wurde (wie bei der hinzuerfundenen Freundschaft zwischen Jonathan Trotz und der „Bandenchefin“ Mona), merkt man auch gleich, dass dies dramaturgisch nicht richtig funktioniert. Trotzdem hat das Ganze Schwung: Kästner ist einfach nicht kleinzukriegen.
Und wenn wir schon dabei sind: Auch die erste Verfilmung des Kästner-Klassikers „Emil und die Detektive“ (1931) in der Regie von Gerhard Lamprecht läuft wieder mal im Kino und bietet nicht nur die spannende Geschichte von der Jagd der Kinder auf den fiesen Herrn Grundeis, der Emils Geld gestohlen hat, sondern auch attraktive Außenaufnahmen aus Berlin in der Zeit vor dem Krieg. LARS PENNING
„De l’autre côté du Périph‘“ (OmeU) 16. 10. im Zeughauskino
„Das fliegende Klassenzimmer“ 20. 10. im Filmmuseum Potsdam
„Emil und die Detektive“ 17.–18. 10. im Babylon Mitte