OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
„Für ein intelligentes Mädchen haben Sie sich mit einer ganz schönen Kollektion von Trotteln umgeben“, sagt der Detektiv Mark McPherson (Dana Andrews) in Otto Premingers „Laura“ (1944) einmal zur gleichnamigen Heldin (Gene Tierney) des düsteren Film-noir-Krimis. Genau darum kreisen letztlich viele von Premingers Filmen: Die Frauen suchen sich immer wieder die falschen Männer aus, und die Männer machen sich von den Frauen stets falsche Vorstellungen. Laura ist ein vermeintliches Mordopfer, das plötzlich nichts ahnend und sehr lebendig wieder auftaucht, und McPhersons Feststellung bezieht sich auf ihren Verlobten, einen Tunichtgut, sowie den zynischen Kolumnisten Waldo Lydecker, der à la Pygmalion versucht, Laura nach seinen Vorstellungen zu erziehen. Doch der Detektiv hätte seine Bemerkung auch gut auf sich selbst münzen können: Denn McPherson, der die Schöne schließlich aus den Armen des einen und vor den Mordanschlägen des andern retten wird, sieht in ihr keine reale Person, sondern ein Traumbild. Längst hatte er sich in die vermeintlich Tote verliebt, ein Vorgang, den Preminger in einer langen wortlosen Sequenz verdeutlicht. Die Kamera folgt dem Detektiv durch Lauras Wohnung: Er liest ihre Briefe, stöbert in ihrer Garderobe, riecht an ihrem Parfüm und blickt vor allem immer wieder auf ihr Porträt über dem Kamin. Schließlich sinkt er in den Sessel vis-à-vis vom Kamin und schläft ein. Es ist die reale Laura, die ihn aus seinen Träumen wachrüttelt. Am Ende wird der offenkundig nekrophil veranlagte McPherson den wahnsinnigen Lydecker bei Laura ersetzen.
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Von einem Gemälde handelt bekanntermaßen auch Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“, den Albert Lewin 1945 in Hollywood elegant in Szene setzte. Zwar durften die Ausschweifungen des im viktorianischen London zum Laster verführten Jünglings Dorian Gray, der stets strahlend jung und schön bleibt, während sich die Exzesse allein auf den Zügen seines Porträts abzeichnen, aus Zensurgründen nicht allzu deftig ausfallen. Doch der Schwarzweißfilm wartet mit einem wunderbaren Schock auf: Am Schluss sieht man das Gemälde in seiner gloriosen Scheußlichkeit in schön-stem Technicolor erstrahlen.
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Oft genug müssen Katzen in Animationsfilmen den Schurken abgeben, derweil possierliche Nager frech den Helden mimen. Die italienische Zeichentrickproduktion „Wie Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte“ kehrt den Sachverhalt um: Fiese Ratten versuchen, in einer Hafenstadt die Macht zu übernehmen, woran Zorbas und seine Gang träge gewordener Stubentiger nicht ganz unschuldig sind. Als die Katzen jedoch beschließen, ein Möwenei auszubrüten und dem Vogel das Fliegen beizubringen, laufen sie noch einmal zu großer Form auf. Kindgerecht und in einem hübschen Bilderbuchstil erzählt Regisseur Enzo d’Alò diese Geschichte von der Toleranz gegenüber andern – ohne penetrant eine „Botschaft“ aufdrängen zu wollen. LARS PENNING