OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Die Liebe zum Trashfilm hat in der Berliner Kinolandschaft schon lange Einzug gehalten, seit Jahren erfreuen da beispielsweise „Die Freunde des schrägen Films“ im Babylon Mitte sowie die Macher des „Z-inema“ in der Z-Bar die Liebhaber der abseitigen Kinohistorie. Mir hat sich die wirklich trashige Seite des Exploitationkinos allerdings nie ganz erschlossen: nicht weil ich mit Horror, Action und Sex vom Prinzip her nichts anfangen könnte, sondern weil ich Filme eigentlich immer ernst nehme und mir die Camp-Haltung – also das bewusste Amüsieren über das Schrille – fremd ist. Könnte eine Berufskrankheit sein. Auf der anderen Seite steht jedoch immer etwas Bedenkenswertes, denn das Trashkino führt auch zu den unprätentiösen Anfängen des Kino als Jahrmarktsamüsement zurück, und den „Kampf“ seiner Macher gegen Zensur sowie staatlich oder kirchlich verordnete Moral darf man ebenfalls nicht außer Acht lassen. Womit wir zu Jess Franco kommen, dem spanischen Altmeister des Exploitationkinos, der gerade mit einer großen Filmreihe im Babylon Mitte gewürdigt wird. Der heute 82-jährige Regisseur hat sich seit den frühen 1960er Jahren in rund 190 Titeln von Bahnhofskino bis Direct-to-Video, von Horror bis Porno durch die gesamte Exploitationlandschaft gefilmt und sich dabei um Moral herzlich wenig geschert. Um plausible Plots und gute Regieeinfälle allerdings auch nicht, wie ein Wiederansehen von „Die sieben Männer der Sumuru“ (1969) gerade noch einmal bestätigte. Interessant ist da vielmehr, wie diese Art von Kino Genreversatzstücke und (Second-Hand-) Ideen zusammenwürfelt, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen wollen: Bond, Barbarella und Oscar Niemeyer, alles durch den Wolf gedreht, am Ende kommt Jess Franco dabei heraus. Auch eine Kunst. (Engl. F., 5. 8. Babylon Mitte)
Wer natürlich in mindestens einem Jess-Franco-Film auf keinen Fall fehlen darf, ist Klaus Kinski, dem im Babylon Mitte eine weitere Filmreihe gewidmet ist. Dabei ist unter anderem neben den zu recht berühmten Werken des Kinski-Bändigers Werner Herzog („Aguirre, der Zorn Gottes“, „Fitzcarraldo“) auch Klaus Kinskis einzige Regiearbeit „Kinski Paganini“ (1987) zu sehen, eine Art Selbstporträt, das in seiner eitlen Maßlosigkeit ein spannendes Gegenstück zu Werner Herzogs präzisen Visionen bietet. (Aguirre, der Zorn Gottes 4. 8., 8. 8.; Fitzcarraldo 6. 8.–7. 8; Kinski Paganini 6. 8. Babylon Mitte)
Nach so viel Maßlosem zum Abschluss noch etwas ganz besonders Kontrolliertes: Alfred Hitchcock überließ in seinen Filmen nie etwas dem Zufall und war in der Lage, die Reaktionen seines Publikums quasi zu designen. Jene Szene in „Das Fenster zum Hof“, in der James Stewart als Fotoreporter, der dank eines Gipsbeins an seine Wohnung gefesselt ist, per Teleobjektiv ansieht, wie Grace Kelly die Wohnung eines Mörders nach Beweisstücken durchstöbert, während jener gerade nach Hause zurückkehrt, ist das Paradebeispiel für Hitchcocks oft beschworenen Suspense. (OmU, 8. 8. Arsenal) LARS PENNING