OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Ob man besonders scharf darauf ist, in einem Animationsfilm ein Zebra zu sehen, das sich bewegt wie Chris Rock, das grimassiert wie Chris Rock und das auch noch redet wie Chris Rock, muss jeder für sich selbst entscheiden. Doch glücklicherweise erschöpft sich „Madagascar“, eine CGI-Produktion des DreamWorks-Studios in der Regie von Eric Darnell und Tom McGrath, nicht allein im Dauergelaber der Hauptfiguren. Denn die Geschichte um eine Gruppe Zootiere, die es auf die titelgebende afrikanische Insel verschlägt, besitzt in den rabiaten und glücklicherweise sehr schweigsamen Pinguinen wirklich coole Nebenfiguren, die mittlerweile selbst Stars eines Kurzfilm wurden, und einen ziemlich bösen, makabren Humor, mit dem die Tücken der Wildnis geschildert werden. Tempo, frechen Witz und spektakuläre Verfolgungsszenen bietet auch „Ab durch die Hecke“, ebenfalls von DreamWorks animiert. Das Werk der Regisseure Tim Johnson und Kary Kirkpatrick ist von einem konsumkritischen Comicstrip inspiriert und erzählt von einer Gruppe Tiere, die, nachdem ihr Wald einer Vorstadtsiedlung weichen musste, den Wintervorrat unter Führung eines schlitzohrigen Waschbären bei den Menschen ergaunern will. Sehr sorgfältig ist die Charakterisierung der Figuren ausgefallen: Neben dem cleveren, an die Nähe der Menschen längst gewöhnten Waschbären gibt es eine ständig skeptische Schildkröte, ein hyperaktives Eichhörnchen (das gegen Ende für einen der besten Gags sorgt), ein überängstliches Opossum mit einer Vorliebe für theatralische Scheintode und ein herbes Stinktier-Fräulein, das schließlich einen Kater becirct, der seinen Geruchssinn verloren hat. Mit menschlichen Charakteren kann die Computeranimation hingegen nur wenig anfangen: Sie existieren auch in „Ab durch die Hecke“ nur als Karikaturen.
Die so genannten Shomingeki, die traditionellen Familiengeschichten, waren das Lieblingsgenre des japanischen Regisseurs Yasujiro Ozu. Immer wieder erzählen seine Geschichten von Generationskonflikten, von den verschiedenen Erwartungshaltungen der Familienmitglieder, und davon, wie sich Tradition und Moderne aneinander reiben. In „Eine Geschichte aus Tokio“ (Tokyo monogatari, 1953) reist ein älteres Ehepaar nach Tokio, um zwei seiner erwachsenen Kinder zu besuchen. Doch dort scheinen sie nur zu stören, niemand hat für sie Zeit. Enttäuschung ist da vorprogrammiert, doch Ozu verurteilt niemanden: Die Kinder müssen sich von den Eltern abnabeln und selbst neue Familien gründen – das sei ein notwendiger, wenngleich manchmal grausam erscheinender Prozess. Ozus Filme verweisen stets aufs Neue auf diesen Lebenszyklus, an dessen Ende der älteren Generation nur die Einsamkeit bleibt. LARS PENNING