OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Vor der großen Bergman-Retro bei der Berlinale bleibt offenbar noch Platz für weitere Regisseur-Hommagen. Im Babylon Mitte am Start: Billy Wilder mit einer angeblichen Komplett-Retro (14. 1.–6. 2.), deren interessantester Bestandteil sicherlich eine Reihe von eher unbekannten Filmen ist, zu denen er – teils noch in Berlin, nach der Emigration dann in Hollywood – am Drehbuch mitgearbeitet hat. Eigentlich ist Wilder ja auch als Regisseur immer vor allem Autor gewesen: Nach filmischen Lösungen von Drehbuchproblemen hat er selten gesucht, der Dialog war ihm wichtiger. Trotzdem hat er dann ja noch eine ganze Reihe von ordentlichen Filmen hinbekommen: Wie etwa den Film noir „Double Indemnity“ (1944) mit Fred MacMurray in der Rolle des Versicherungsvertreters Walter Neff, der in einer klassischen Rückblende erkennen muss, dass Barbara Stanwyck die falsche Frau und der Mord an ihrem Mann keine gute Idee war. Oder auch das böse Drama „Ace in the Hole“ (1951) mit Kirk Douglas als zynischem Journalisten, der die Rettungsarbeiten für einen verschütteten Mann verschleppt, weil die Schlagzeilen seiner Karriere förderlich sind. Weit besser als hampelige Farcen à la „One, Two, Three“ (1961) (der Eröffnungsfilm) und „Irma La Douce“ (1963) gelangen Wilder die romantischen Komödien „Sabrina“ (1954) und „Love in the Afternoon“ (1957), für die er mit Audrey Hepburn mit ihrer Natürlichkeit bei gleichzeitiger Sophistication die perfekte Darstellerin fand. Im krassen Gegensatz dazu konnte Wilder aber auch einen sehr zynischen Witz an den Tag legen: „Kiss Me Stupid!“ (1964) – Dean Martin strandet als Showstar Dino Martini in dem Provinzkaff Climax, wo zwei Möchtegern-Songschreiber dem Dauerrammler eine Prostituierte namens Polly the Pistol ins Bett legen, damit er ihnen einen Song abkauft – gehört zum Besten, was der Regisseur im Laufe seiner Karriere anzubieten hatte. Wirklich erfolgreich war der Film in seiner Entstehungszeit aus verständlichen Gründen übrigens nicht. (One, Two, Three, 14. 1., Sabrina, 15. 1., Double Indemnity, Irma La Douce, 17. 1., Ace in the Hole, 18. 1., Kiss Me, Stupid!, 19. 1, alle OmU, Babylon Mitte)
Ein früher, eher unbekannter Hitchcock, präsentiert von Vaginal Davis im Arsenal: Das Melodram „Easy Virtue“ (1927) weist bereits eine ganze Reihe von Motiven auf, die Hitchcock später stets aufs Neue variiert hat: eine „böse“ Mutter und ihre Beziehung zu einem abhängigen Sohn, die Familie als Quelle allen Unglücks, aber auch die sexuelle Leichtfertigkeit einer Frau und – ein katholischer Gedanke – ihre Sühne. (OF, 13. 1., Arsenal)
Ebenfalls im Arsenal zu sehen: eine Werkschau mit Filmen von Tim Burton, dem vielleicht verspieltesten amerikanischen Regisseur der Gegenwart. Düsterer Romantizismus, Eklektizismus und makabrer Humor zeichnen seine Produktionen aus, so auch den Eröffnungsfilm „Edward Scissorhands“ (14. 1., mit Einführung von Alexandra Seitz) und natürlich seine beiden Batman-Filme (18./19. 1.), in denen sich zwangsneurotische Helden gegenseitig in die Abgründe stürzen. LARS PENNING