OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Bereits die Titelsequenz von „Cape Fear“ (1962) verdeutlicht anschaulich, aus welchem Holz die Hauptfigur hier geschnitzt ist: Mit einer großen Zigarre im Mund und einem Panamahut auf dem Kopf schlendert Max Cady (Robert Mitchum) gemächlich durch die Straßen einer Kleinstadt und betritt, nachdem er zwei jungen Frauen abschätzig nachgeblickt hat, ein Gerichtsgebäude. Ostentativ rücksichtslos marschiert er an einer vollbepackten Angestellten vorbei, als diese direkt vor ihm auf der Treppe ein Buch fallen lässt, und einen schwarzen Hausmeister spricht er herablassend mit „Daddy“ an: Ein Gentleman ist Max Cady ganz sicher nicht, und er gibt sich auch keine Mühe, uns etwas anderes weiszumachen. Die schiere physische Präsenz, die Mitchum in der Rolle des nach acht Jahren Haft entlassenen Sträflings entwickelt, der sich an dem Anwalt Sam Bowden (Gregory Peck) rächen will, dessen Zeugenaussage ihn einst hinter Gittern brachte, ist ebenso beeindruckend wie beängstigend: In seiner relativen Behäbig-, ja fast Schläfrigkeit wirkt Cady doch niemals harmlos oder dumm, sondern animalisch und gefährlich, und seine arrogante Unverfrorenheit demonstriert gelassenes Selbstbewusstsein. Allein durch seine Präsenz wird er den Anwalt zusehends aus der Fassung bringen und dessen Familie in eine Angst versetzen, die sich zur Paranoia auswächst. Das Arsenal präsentiert im November eine Hommage an Robert Mitchum mit acht seiner Filme. (5. 11., OF, Arsenal)
In ihrem Film „El baño del Papa“ (2007) haben sich die uruguayischen Regisseure Enrique Fernandez und César Charlone einer wahren Begebenheit angenommen: Als Papst Johannes Paul II. 1988 Uruguay besuchte, kam er auch in den kleinen, im Nordosten nahe der Grenze zu Brasilien gelegenen Ort Melo. Die armen Bewohner der Gegend witterten ganz praktisch ein Geschäft mit der Beköstigung der zu erwartenden Pilger – doch die blieben aus. Fernandez und Charlone haben die Idee nun noch ein wenig weiter getrieben: Ihr Held Beto plant, ein kostenpflichtiges Klo für die Pilger zu bauen. Doch was im ersten Moment komisch klingt (und auch für eine witzige Sequenz sorgt, in der Beto mit Frau und Tochter im Rollenspiel das große Geschäft einübt), wird in „El baño del Papa“ eher zu einer bittersüßen und sehr authentisch wirkenden Tragikomödie, denn auch der Versuch, die bescheidensten Träume zu realisieren, stellt die Figuren (die mit Ausnahme der Hauptrollen mit Laien aus der Region besetzt wurden) vor beinahe unüberwindbare Hürden. (7. 11., OmenglU, Babylon Mitte)
Anstelle des grässlichen 3-D-Konzertfilms mit den Berliner Philharmonikern, der zurzeit durch die Kinos geistert, sollte man sich bei Interesse für das Orchester lieber Thomas Grubes umfassendes Porträt „A Trip to Asia“ ansehen. Die während einer Konzertreise durch Asien eingefangenen Eindrücke der Reise bieten stets neue Gelegenheiten, nahezu jeden erdenklichen Aspekt eines Musikerlebens näher zu beleuchten und dabei die Musik als Mittel der Kommunikation zu erörtern. (6. 11. Astor Lounge) LARS PENNING