: OECD–Prognose drängt: Bonn soll ankurbeln
■ Börsenkrach bremst Wachstum weltweit / Deutscher Exportüberschuß soll schrumpfen
Paris (dpa/vwd) - Die internationale Börsenkrise wird das Wirtschaftswachstum der westlichen Industrieländer in den nächsten zwei Jahren um etwa einen halben Punkt auf jährlich rund zwei Prozent abbremsen. Als Folge erwarten die Experten der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris in ihrem am Dienstag veröffentlichten Konjunkturausblick bis Ende 1989 ein deutliches Ansteigen der durchschnittlichen Arbeitslosenquote der 24 OECD– Länder von gegenwärtig 7,75 auf 8,25 Prozent. Sie rufen die Bundesrepublik auf, der „bedeutenden Rolle“ der deutschen Konjunktur für die Beseitigung der Krise gerecht zu werden und die Wirtschaft zusätzlich zu den bereits getroffenen Maßnahmen weiter anzukurbeln. „Das Wachstum der deutschen Wirtschaft droht bis zum Ende der 80er Jahre hinter dem möglichen Wachstum zurückzubleiben“, meinen die OECD–Fachleute. Sie erwarten für das zu Ende gehende und für das kommende Jahr jeweils eine Wachstumsrate von 1,5 Prozent und für 1989 von 1,25 Prozent. Die deutsche Vertretung bei der OECD wies die Aufforderung in einer schriftlichen Stellungnahme zurück. Die bereits beschlossenen Maßnahmen und Steuersenkun gen für 1988, Zinssenkungen und höhere Staatsverschuldung reichten für eine Stärkung des Wachstums aus. Nach Ansicht der OECD–Experten wirkt sich die Börsenkrise auf die deutsche Konjunktur nur indirekt über die Beeinträchtigung der Weltwirtschaft aus. Der Exportüberschuß der Bundesrepublik schrumpft nach ihrer Vorhersage bis 1989 langsam zusammen. Die mit der starken D–Mark verbilligten Importe werden weiter zunehmen. Die Binnenkonjunktur werde besonders 1988 durch die vorgezogenen Steuersenkungen vorwiegend von der privaten Nachfrage gestützt. Dagegen wird der Einbruch der Aktienkurse die private Nachfrage in den USA nach Auffassung der OECD um etwa einen Prozentpunkt verringern. Gleichzeitig sagen sie einen deutlichen Anstieg von konkurrenzfähigeren US–Exporten voraus. Deutsche und Japaner würden auf den Weltmärkten daher Marktanteile an die Amerikaner verlieren, die ihr Leistungsbilanzdefizit bis Ende 1989 deutlich verringern können. Washington wird mit Nachdruck aufgefordert, die eingeleitete Verringerung des Haushaltsdefizits fortzusetzen. Sie sei „zum Symbol für die Bereitschaft der Vereinigten Staaten geworden, die von ihnen verlangten Maßnahmen zu treffen“ und könne „bedeutende psychologische Auswirkungen auf die Finanzmärkte“ haben. Dies gelte vor allem für die Beseitigung des „strukturellen Defizits“. Sämtliche Regierungen werden von den OECD–Experten aufgefordert, angesichts der drohenden Folgen des Börsenkrachs „unverzüglich zu handeln, um ihre Glaubwürdigkeit zu stärken und die Märkte in dem Empfinden zu bestärken, daß die Hauptprobleme wirksam und im Geiste einer internationalen Zusammenarbeit bekämpft werden“.
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