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Archiv-Artikel

Nur nicht selbstgefällig werden

In der Koalition macht man sich Sorgen, die Arbeitsmoral könne unter der Schwäche der CDU leiden. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Gaebler beobachtet Zurücklehnen im Senat

Konkurrenz belebt das Geschäft, fällt sie aus, sinkt die Arbeitsmoral. Bei SPD und PDS mag man angesichts der tiefen Krise der CDU gewisse Parallelen zum Berliner Politbetrieb nicht bestreiten. „Das größte Problem für Rot-Rot außer der Finanzsituation ist, nicht zu selbstgefällig zu werden, weil die Opposition so schlecht ist“, sagt der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gaebler, der taz. Die Schwäche der Union birgt für ihn ein Risiko, „weil es bei einigen Senatsmitgliedern ein Zurücklehnen gibt.“ Die würden sagen: „Es läuft doch.“

Auch der Chef des Koalitionspartners PDS, Stefan Liebich, hätte sich einen Gegner gewünscht, an dem Rot-Rot sich hätte reiben können: „Mir wäre es lieber gewesen, wenn sich die CDU mit Peter Kurth in der Landespolitik zurückgemeldet hätte. Das wäre besser für Berlin und besser für uns.“ Senatssprecher Michael Donnermeyer hingegen sieht die Gefahr des Zurücklehnens nicht: „Uns fordern die Aufgaben heraus, nicht die Opposition.“

Die Zerrissenheit der Christdemokraten hatte sich bei ihrem Parteitag am Samstag deutlicher denn je gezeigt. In einer tumultartigen Atmosphäre setzte sich dabei Mitte-Bürgermeister Joachim Zeller knapp gegen Exsenator Peter Kurth als Landeschef durch. Kurth war bereits eine Woche zuvor knapp mit einer Kandidatur für den Fraktionsvorsitz gescheitert. Beide Niederlagen gelten als das Werk von Ex-Fraktionschef Frank Steffel.

Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz wähnt die SPD und ihren Landesvorsitzenden Peter Strieder nun in Feierlaune über Kurths erneute Niederlage: „Der hat am Samstag die zweite Flasche Schampus aufgemacht“, sagt sie. „Die totale Zerrissenheit der CDU ist doch die beste Lebensversicherung von Rot-Rot.“ Ihre Misere schwäche die Opposition insgesamt. Im Parlament ist die CDU mit 35 Sitzen die bei weitem größte Oppositionsfraktion: Grüne und FDP haben jeweils nur 14 Abgeordnete.

Die SPD kommt für Klotz in Umfragen trotz gesunkener Werte – Ende April mit 28 Prozent hinter der CDU mit 32 – noch zu gut weg. „Die Union hätte doch in den Umfragen noch viel mehr abräumen müssen, bei all dem, was der Senat sich leistet.“

Klotz möchte dabei weder den neu gewählten Parteichef Zeller noch den seit zehn Tagen amtierenden Fraktionschef Nicolas Zimmer schlecht reden. Beide bezeichnet sie als pragmatisch und durchaus sympathisch. Beide würden aber als Statthalter von Ex-Fraktionschef Steffel wahrgenommen.

Ihr FDP-Kollege Martin Lindner äußerte sich schon vor der Wahl noch drastischer, sprach von einem Totalausfall der größten Oppositionspartei. Er hielt gestern aber die beiden Personalentscheidungen Zimmer und Zeller für richtig, weil sie ihre Gegner stärker einbinden könnten als Kurth. STEFAN ALBERTI