■ Normalzeit: Vom Erröten
Im Trubel der Berlinale war der 30jährige Berliner Regisseur Harald Bergmann zusammen mit seinem durchaus erwähnenswertem Film leider untergegangen. Zwar fand ein Schweizer Journalist „Hölderlin-Comics“ sehr schön und erwähnte ihn lobend gleich in drei Schweizer Zeitungen und einem Radiobeitrag des MDR (Vierfachverwertung, alle Achtung!), doch sonst schrieb niemand. Das tat weh! Denn wie viele junge Regisseure hatte der sympathische Bergmann sich für seinen experimentell-literaturwissenschaftlich durchaus auch ironischen Streifen mehr oder minder finanziell ruiniert und muß deshalb inzwischen zuweilen auf kalten Parkbänken schlafen. Alle paar Tage kommt er allerdings immer noch in die Wohnung eines Freundes, um sein dort deponiertes Anrufbeantworterfaxgerät zu kontrollieren. Einmal fand sich darauf sogar die Nachricht eines belgischen Journalisten, der um Pressephotos bat. Harald Bergmann, der übrigens unverzagt nach seinem zweiten Hölderlinfilm nun auch noch gleich einen dritten machen möchte („dann ist Schluß“), erzählte sehr lustige Sachen über Berlins greisen Jungfilmer Wim Wenders. Der sei zum einen ein ziemlicher Geizhals; einer Kollegin, die für seinen letzten Film für 80.000 Mark Produktplacement organisieren sollte und die schüchtern am Telefon gefragt habe, was sie denn dafür kriege, habe „Bim Benders“, wie er in Japan genannt wird, irgendwie fassungslos geantwortet. Sie könne doch nicht nach Geld fragen, wo es doch um die gute Sache, das wichtige Projekt und derlei gehe. Dazu paßte, daß Wenders, so Harald Bergmann, tatsächlich und verbürgt jedesmal vor dem Essen beten tue. Das habe mit seiner Ehefrau zu tun.
Ein anderer Kollege, der eine Weile in der Heinrich-Heine- Buchhandlung arbeitete, berichtete, daß sowohl Wenders als auch Syberberg kleine Schuldenberge in der Heinrich-Heine- Buchhandlung aufgehäuft hätten. Syberberg habe seine Schulden mit Filmpostern begleichen wollen. So sind sie nun mal, die (West-)Berliner Filmemacher! Kein Vergleich zu dem bescheidenen moldawischen Regisseur Artur Aristakisjan, der für seinen wunderschönen, leicht durchgedreht mystischen Film „Ladoni“ kürzlich den Staudte-Preis bekommen hatte. Bei der Preisverleihung in der Akademie der Künste zierte sich der 32jährige Filmemacher, der stets mit Baumwolltasche und Hippiejacke herumlief und mit langen dunklen Locken und sanfter Stimme an Jesus erinnerte. („Jesus“ habe ihr tatsächlich, erzählte eine russische Kollegin, als erstes eine Schrift in die Hand gedrückt, in der es darum ging, wie man eine christliche Gemeinde gründen könne.) Etwas paternalistisch freute sich das Publikum am Erröten des Künstlers.
Dies Erröten, das viele junge Mädchen betörte, versuchte nun wiederum der angejahrte (Ost-) Berliner Liedermacher Eckehard Maas für seine Zwecke auszunutzen. Zur Verführung einer schönen Nachbarin wollte er nicht nur besagten Artur Aristakisjan, sondern auch gleich noch Tschingis Aitmatov, Christa Wolf und das ZDF aufbieten, die sich alle am nächsten Tag in seiner Wohnung treffen würden, um über dies und das zu reden. Sie könne ja auch kommen. Aitmatov fand tatsächlich den Weg ins legendäre Maassche Domizil. Die kulturvolle Verführung allerdings scheiterte dennoch kläglich. Detlef Kuhlbrodt
wird fortgesetzt
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