■ Normalzeit: Verdienstleistungs-Zentnerisierung
Grad sprach der SPD-Wirtschaftstheologe Norbert Meisner den Immobilienunternehmern ein dickes Arbeitsplatzschaffungs-Lob aus: zigtausend Dienstleistungsjobs hätten sie mit ihren Centern geschaffen. Grober Unfug! Nehmen wir, nur mal als Beispiel, „mein“ Haus in Mitte, in einer romantisch-stillen Koko-Straße gelegen. Es gehörte dem FDGB, dann kaufte es ein Charlottenburger Immobilien- Duo, die das Mietshaus in ein Dienstleistungs-Center umwandelten, mit Hilfe von drei polnischen und zwei tschechischen Allround-Pfuschern.
Als erstes mietete sich eine Welt am Sonntag-Werbetruppe ein, bestehend aus abgewickelten MfS-Bärbeißern. Ich wurde nach nebenan umgesetzt. Die Ärztin zog mit ihrer Praxis aus. Dafür kam Frau Schmidt, Teil einer zwielichtigen Zwischenhändler- Truppe aus Süddeutschland, die ein Bordell einrichtete: „Rent a Girl“. („Wir sind kein Puff, sondern ein Dienstleistungsunternehmen“, so Frau Schmidt, die selbiges schon mit 120 Girls in verschiedenen westdeutschen Städten aufgezogen hatte, bis das Finanzamt ihr in die Suppe spuckte. „Meine Tochter ist aber jetzt Steuerberaterin, und die wird das diesmal juristisch für mich durchfechten!“) Schon einige Wochen später wurden ihre Girls aber entlassen und statt dessen ein neues Schild an die Tür gemacht: „Rent a Room“. Die polnisch-tschechische Arbeitsbrigade gründete eine eigene Firma und mietete sich in das halbleere Center ein. Der Hausflur wurde gestrichen und mit albernen Niedervolt-Lampen illuminiert. Die WamS-Werbetruppe zog aus und dafür einige Asylanten-Familien ein. Gleiches geschah auch mit meiner alten Wohnung. Und ähnliches passierte zur selben Zeit mit einem Mietshaus schräg gegenüber, das ebenfalls in ein Dienstleistungs-Center umgewandelt werden sollte. Fazit: Wir müssen schleunigst wieder das Asylgesetz entschärfen, damit wenigstens genug Asylanten reinkommen, um die ganzen neuen Dienstleistungs-Center zu füllen, sonst sieht es schlecht damit aus. Übrigens: seit diese in Gewerberäume umgewandelten Mietshäuser in unserer Straße mit jugoslawischen Großfamilien gefüllt wurden, ist dort schwer was los. Das war sonst eine absolut tote Straße, zu jeder Tages- und Nachtzeit, nur zum Autoabstellen genutzt. Wie ja überhaupt die Deutschen, speziell die Ostler, überhaupt keine Kultur im Umgang mit öffentlichen Räumen haben – auch so ein Verbrechen der Kommunisten-Spießer: belebte öffentliche Räume, das bedeutete für sie potentiell Unordnung, Chaos, Anarchie, Widerstand. Die Asylanten beschränken sich aber nicht auf das öffentliche Niemandsland: Die Rentnerin unter mir hat z.B. gerade einen jungen „Jussef“ geheiratet und seitdem, sagt sie, fühle sie sich „wie neugeboren“. Alles ganz prima! Aber Arbeitsplätze entstehen dadurch nicht, schon gar nicht durch die Dienstleistungs-Center der Immobilienentwickler.
Dazu sind diese Leute auch gar nicht in der Lage: Als das Klingbeil-Konsortium (Pietzsch, Wertkonzept-Müller, Guttmann und Groenke) ihr Narva-Dienstleistungscenter-Konzept vorstellte, behauptete ich: Diese Penner sind einfach den Ku'damm rauf- und runtergegangen und haben alles reingeschrieben, was dort gut geht: Jeans-Shops, Computer-Boutiquen, Rechts-Abzocker, Unternehmensverräter usw. Und fertig war das Konzept! Später rief mich Konsul Meyer vom Verband der Selbständigen an und sagte: „Sie haben richtig vermutet. Wir haben mal ein Konzept für das Philips-Hochhaus gegenüber der Urania zusammenstellen sollen – und da haben wir das exakt so gemacht: Wir sind über den Ku'damm gegangen und haben uns alles notiert, was dort gut funktioniert, und das haben wir dann da reingeschrieben!“ Helmut Höge
wird fortgesetzt
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