■ Normalzeit: Raus aus Aussi-Land
Wahlverwandtschaft statt Blutsverwandtschaft! Das wäre dann so zu verstehen, daß nur der Migrant wirklich frei und glücklich sein kann und intelligent dazu – der gemeine Migrant!
Es ist noch gar nicht lange her, daß man die dusselige Diskussion über Wellen von verwirrenden Wirtschaftsflüchtlingen, die sich – ganz im Gegensatz zu den von fiesen fernen Führern Verfolgten – hier nur einen linden Lenz machen wollten, primär politisch pariert hat, da dräut uns auch schon der dritte diskursauskoppelnde komische Fremde. Vorm Hamburger Reiter der Ausländerpolizei – der Ozon-Asylant! Bestehend in der Mehrzahl aus ebenso bewußt blassen wie blonden beziehungsweise sommersprossig- rothaarigen Mädels aus Australien und Neuseeland.
Die mit elaboriertem Elternhaus, blitzender Bildung und krampfaderlosem Körper kopfrübergejetteten Jungfrauen betätigen sich durch die Deutschbank dichterisch, und zwar aufs ostentativste ostberlinerisch, wenn auch noch mit eingesprenkelten Anglizismen Ausländerei anzeigend (Textprobe: I met my bärtigen boyfriend first / At the Steinwall of the Wasserturm).
Die im Suggestiven versumpfte Sprache der Dumpf- Dichter und -Denker ist kabolzenderweise wie kaum ein anderes Kitsch-Kauderwelsch klasse geeignet, diese in die Alte Welt ausgespienen Aussi-Girls so recht über die hopsgegangene Heimat hinwegzutrösten – wo sie all year round rundum wahnsinnig weiße Strände, riesig schäumende Surfwellen und – ja! – wolkenlosestes Himmelblau besaßen. Nur, leider, leider, gerade dort, im real existierenden Sauna-Fitneß- und Solarium-Fun-Sozialismus selbst sozusagen lauerten aufs heimtückischste der häßliche Hautkrebs, die makelvollen Melanome – das ohnfehlbar tödliche Ozon.
Und es rafft nicht etwa die eh zivilisatorisch zerschwächten Aborigines und Maoris dahin, auch nicht die jipperaktiven Japaner und Südkoreaner, denen die schafzüchterisch dahindämmernden Pazifik-WASPs eins aufs andere Jahr ärgere Alpträume abgewinnen. Schon gar nicht die mehr müßiggängerisch und schön im Schatten sich amüsierenden Scheckbuch-Araber, denen viele sozialdemokratisch sozialisierten Angelsachsen-Siedler doch gern etwas Dampf untern Dschellaba androhen. Sogar die oftmals so unfroh umherirrenden Inder und Pakistani bleiben wundersam verschont. Nein, alle christlichen Heilsbotschaften hin und Rechtschaffenheitslehren her und wie zum Hohn haut es höchstens die hochqualifizierten und heiratsfähigen Hellhaut-Kids der kräftig in die Scholle verkrallten Farmer und Festangestellten des Fünften Kontinents selbst vom Hocker, deren lockerer Lifestyle kolossal kostenintensiv von kalifornischer Cool-Kultur und ihrem bescheuerten Beach-Brimborium belämmert ist.
Aber genau da liegt das Kaninchen im Knackpunkt beziehungsweise das Risiko in der Bereitschaft – zum kernig-ausgepellten Körperkult nämlich. Zack, kommt mit dem ersten Sonnenstrahl schon die tödliche Dosis daher.
Wer es sich dort unten also irgendwie locker leisten kann, der schweift schnurstracks nach Norddeutschland hoch, wo es nur Kfz-gepuschte Ozonwerte gibt, die man höchstselbst am Steuer zu verharmlosen vermag. Und sogar bei freizügigstem FKK am Sommerferienstrand etwa ist man hier durchgängig von einer dichten Wolkendecke vor allzu durchdringender Sonnenbestrahlung gedeckt. Glückliche graue Städte am Grauen Meer und in der Miesen Mark – wer hätte je gedacht, daß ausgerechnet euer deprimierendster toter Dichter in Australien und Neuseeland als Mega-Moses der Moderne und mythischer Muntermacher moderiert: Ubi Theodor Storm, ibi Jerusalem!
Und so finden sich dann all diese ach so hochempfindlichen Ozon-Asylantinnen angenehm angstfrei ausgerechnet im grausamsten Viertel der grauenvollsten Großstadt des griesgrämigen Gesamtdeutschland wieder: zwischen den Grauen Mauern des gänzlich geduckten Prenzlauer Bergs, und zwar rund um die abstoßendste Alternativkneipe dort: die „Kommandantur“. Helmut Höge
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