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■ Normalzeit„Narva-City“ – light

Nun ist auch der letzte Rest des Berliner Glühlampenwerks – die „Gesellschaft für lichttechnische Erzeugnisse“, mit 70 Beschäftigten – vom Narva-Gelände weggezogen: nach Lichtenberg. Damit stehen nun alle (denkmalgeschützten) Gebäude leer und werden entkernt – von der Roland Ernst Projektentwicklungsgesellschaft, die für Erhard Härtls Firma „Sirius“ bzw. für die Bayrische Hypo die Umwandlung des Industriegeländes am Warschauer Platz in ein Dienstleistungszentrum mit 340 Wohnungen besorgt.

In „Rudis Kiezladen“, einer Filiale des „Berlin-Brandenburgischen Bildungsvereins“ am Friedrichshainer Rudolfsplatz hielt der Roland Ernst Projektmanager Geyermann darüber einen Diavortrag. Unter anderem erwähnte er dabei Arkaden am Gebäude 4, in das eine Schule nebst Turnhalle einziehen, sowie eine Innenhofzone des Gebäudes 5, wo Dachateliers entstehen. Der besonders quecksilberverseuchte Narva-Lichtturm wird nicht mehr abgerissen, sondern im Gegenteil um fünf Etagen aufgestockt. In die BVG-Halle, die ebenfalls aufgestockt wird, kommt eine Ladenzeile. Das noch von „Sirius“ mit Narva-Leuten renovierte Verwaltungsgebäude steht leer. Dort sollte das Bezirksamt einziehen – man entschied sich jedoch für ein anderes leerstehendes Dienstleistungscenter. 6.000 neue Arbeitsplätze sollen in „Narva- City“ entstehen, wo einzig eine Kita und die Chemie-Institute der FHTW überlebten.

Unter den Anwohnern, die zum Diavortrag in den Kiezladen kamen, war auch der ehemalige Kombinatspressesprecher von Narva, Dr. Diewald. Er wollte wissen, ob bei der geplanten „City“ der Name „Narva“ erhalten bleibe. Derzeit sei ein Marketingbüro mit dieser Frage beschäftigt, wurde ihm geantwortet. Der Name „Narva-City“ bleibe vorerst, er werde jedoch auf seine Positiv- bzw. Negativkonnotationen „geprüft“.

Wie immer das ausgehen wird (Geyermann selbst erinnerte der Name „Narva-City“ im übrigen zu sehr an ein Cowboydorf!), es läuft auf einen ähnlichen Etikettenschwindel hinaus wie er überall im Beitrittsgebiet von West- Investoren betrieben wird: Minol ist Elf und wird mehr und mehr auch von Elf abmontiert, hinter Orwo verbirgt sich Billigmaterial von Agfa oder Kodak, die Belfa- Batterien sind fast alle umetikettierte Varta-Batterien, die Deutsche Seereederei hat bald alle Schiffe nach Nigeria ausgeflaggt usw. „Narva-City“ war ursprünglich der Name für das Narva- Übernahmekonzept der Tabfin AG, deren Developer Gerhard Fuchs-Kittowski 1992 noch 1.100 Leute in der Lichtproduktion beschäftigen wollte. Er wurde dann, ebenso wie später bei der Übernahme der Interhotels, von der Treuhand zugunsten des Klingbeil-Konsortiums ausgebootet.

Im Kiezladen kamen anschließend noch zwei Projektentwickler der Stralauer Halbinsel samt Rummelsburger Bucht zu Wort. Am einen Ende, hinterm Knast, ist dort bereits Roland Ernst zugange, am anderen Ende, hinter dem Gebäude des Neuen Deutschland, die in Finanzschwierigkeiten steckende Concordia AG – eine ehemalige Bergarbeitersiedlungsgesellschaft. Das Entwicklungsgebiet in „hochwertiger Lage“ dazwischen wird nun als Abschreibungsobjekt von der Immobilien-AG des Energiekonzerns Veba bebaut. Auch hier gibt es einige denkmalgeschützte Objekte, sowie ein besetztes Haus, das aber gerade – widerrechtlich – geräumt wurde. 11 neue Kitas, 3 Schulen, 3 Nahversorgungspunkte, 1 Kommunales Zentrum, 4 Gewerbekomplexe sowie 5.400 Wohnungen sollen dort hinkommen. Mehrere 10- bis 20-Geschosser für Büros, bis hoch zum Ostkreuz, sowie alle Yachthäfen an der Bucht wurden gerade rezessionsbedingt gestrichen. Da aber zugleich bei den Wohnungen der Sozialanteil (1. Förderweg) reduziert wurde, und damit der Anteil an besserverdienenden Mietern erhöht, wird später ein Yachthafenbau auf Privatbasis möglich sein – und auch notwendig, damit die Bewohner des toten Winkels am „Rummelsburger See“ trotz verstopfter Straßen bequem per Boot morgens zur Arbeit in die City kommen – diese Idee stand übrigens ebenfalls schon bei Gerhard Fuchs- Kittowski – in seinem „Narva-City“-Konzept. Helmut Höge

wird fortgesetzt

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