Nordkorea will Rakete starten: Für Satelliten - oder für Bomben?
Nordkorea kündigt den Start einer Trägerrakete an, die einen Satelliten ins All bringen soll. Als die Diktatur dies das letzte Mal behauptete, testete sie in Wirklichkeit eine Langstreckenrakete.
PEKING taz Nordkorea werde bald einen Kommunikationssatelliten in den Weltraum schießen, verkündeten das Regime in Pjöngjang am Dienstag. "Die Vorbereitungen für den Abschuss eines experimentellen Kommunikationssatelliten vom Typ Kwangmongsong-2 auf der Rakete Unha-2 gehen rasch voran", meldete die amtliche Nachrichtenagentur KCNA, ohne einen präzisen Zeitpunkt für den Start zu nennen.
Die USA und Nachbarländer wie Südkorea, Japan und China fürchten allerdings, dass sich hinter dem geplanten Start ein neuer Raketentest verbergen könnte. Bereits seit Wochen beobachten Geheimdienste ungewöhnliche Aktivitäten auf der Raketenbasis Musudan-ri im Nordosten des Landes. Radargeräte wurden installiert, Lkws fuhren auf, auch ein Motorentest scheint stattgefunden zu haben. Südkoreanische Experten berichten überdies von einer Mittelstreckenrakete mit 3.000 Kilometer Reichweite, die in Stellung gebracht worden sein soll.
US-Außenministerin Hillary Clinton hatte wie ihr südkoreanischer Amtskollege Yu Myung Hwan die Regierung von Pjöngjang vorige Woche vor einem Test gewarnt. Der würde "provozierend" wirken. Die große Sorge: Die von den US-Spionagesatelliten gefilmten Röhren könnten eine neue Version der Langstreckenrakete Taepodong-2 sein, die rund 6.700 Kilometer fliegen kann - wenn sie funktioniert. Hawaii und Alaska wären damit bedroht.
Bei einem Start im Sommer 2006 plumpste die Rakete allerdings schon nach Sekunden ins Meer. Drei Monate später zündeten Nordkoreas Militärs ihre erste unterirdische Atombombe. Dies stürzte die koreanische Halbinsel in eine tiefe Krise, mehrere Länder und auch die UNO verhängten Sanktionen gegen das Regime von Kim Jong Il. Mit einem Test will Kim offenbar US-Präsident Barack Obama zu Eingeständnissen und weiteren Wirtschaftshilfen zwingen.
Funktionäre des völlig verarmten Landes versuchten den Eindruck zu erwecken, Nordkorea wolle den Kosmos nur aus wissenschaftlichen Gründen erobern. Pjöngjang habe wie jedes andere Land das Recht auf ein eigenes Raumfahrtprogramm. "Sollte der Abschuss des Satelliten erfolgreich sein, bedeutet das für die nationale Weltraumforschung und -technologie einen weiteren großen Schritt auf dem Weg zu einer Wirtschaftsmacht", erklärte KCNA.
Der geplante Start fiel in eine Zeit, in der die Verhandlungen um die Zukunft des nordkoreanischen Nuklearprogramms feststecken: Amerikaner und Nordkoreaner können sich seit Monaten nicht einigen, was internationale Inspektoren in Nordkoreas Atomanlagen kontrollieren dürfen, um sicherzugehen, dass Pjöngjang wie versprochen sein Atomprogramm beendet.
Zugleich wartet Pjöngjang auf 200.000 Tonnen Schweröl, die bei den Pekinger Atomgesprächen versprochen, aber noch nicht geliefert wurden. An den Verhandlungen nehmen auch China, Südkorea, Japan und Russland teil.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen