Nordirland-Konflikt: Bericht zum "Bloody Sunday"
Kommission legt Untersuchung zur Erschießung von 14 Demonstranten durch britische Fallschirmjäger im Jahre 1972 vor. Auch von "gesetzwidrigen Tötungen" wird gesprochen.
DUBLIN taz | Zwölf Jahre hat die Untersuchung gedauert. Gestern Nachmittag präsentierte der britische Premierminister David Cameron im Unterhaus den lang erwarteten Bericht der Kommission, die das Geschehen am "Bloody Sunday" untersucht hat, bei dem vor 38 Jahren 14 unbewaffnete Demonstranten von britischen Fallschirmjägern in der nordirischen Grenzstadt Derry erschossen wurden. Cameron entschuldigte sich im Namen der Regierung und der Nation für die tödlichen Schüsse. Sie seien "ungerechtfertigt und nicht zu rechtfertigen" gewesen.
"Was geschehen ist, hätte niemals geschehen dürfen", sagte er. Die Verantwortung dafür liege allein bei den Soldaten. Keines der Opfer habe irgendetwas getan, was die Schüsse rechtfertigen könnte. Manche seien auf der Flucht getötet worden. Ein Mann sei erschossen worden, als er verwundet am Boden lag, heißt es in dem 5.000-Seiten-Bericht. Einige Soldaten töteten aus "Angst und Panik", andere, ohne Angst und Panik zu haben, heißt es. Die Soldaten haben die Selbstkontrolle verloren, sagte Cameron, und vor der Untersuchungskommission haben sie falsche Angaben gemacht, um ihre Aktionen zu rechtfertigen. Ob sie vor Gericht gestellt werden sollen, ließ er offen.
Der Kommission lag ein Geheimmemorandum vom 7. Januar 1972 vor, in dem General Robert Ford, Kommandant der britischen Armee in Nordirland, Schüsse auf randalierende Demonstranten empfahl, um "Recht und Gesetz in Derry wiederherzustellen". Ford rechtfertigte sich, er habe "beschießen" und nicht "erschießen" gemeint. Cameron pries die Rolle der Armee in Nordirland, ohne die es keinen Friedensprozess gegeben hätte. Mehr als 1.000 Sicherheitskräfte wurden während des 30-jährigen Konflikts getötet.
Der "Bloody Sunday" spielte eine entscheidende Rolle bei der Eskalation dieses Konflikts. Danach erhielt die Irisch-Republikanische Armee (IRA), die bis dahin relativ wenig Unterstützung genoss, starken Zulauf. 1972 wurde mit 479 Toten das blutigste Jahr des Konflikts.
In Creggan, einem katholischen Arbeiterviertel von Derry, hatten sich am 30. Januar 1972 15.000 Menschen versammelt, um gegen die Internierungspolitik der britischen Regierung zu demonstrieren, die gegen jegliche internationale Norm über faire Gerichtsverhandlungen verstieß. Als die ersten Steine flogen, schwärmte das 1. Fallschirmjäger-Regiment aus. Die Soldaten eröffneten das Feuer. Eine Stunde später lagen 13 Tote auf der Straße. John Johnston, der als Erster von einer Kugel getroffen worden war, starb fünf Monate später. Der Schießbefehl, darin sind sich die Experten einig, musste von der Londoner Regierung abgesegnet worden sein.
Die Soldaten sagten, sie seien von Demonstranten beschossen und mit Nagelbomben angegriffen worden, sie hätten das Feuer lediglich erwidert. Hunderte Augenzeugen bestätigte, dass kein Schuss gefallen war, als die Armee das Feuer eröffnete. "Es war Mord", sagt Derrys damaliger Bischof Edward Daly, der Verletzten half. "An diesem Blutsonntag haben wir die jungen Leute verloren. Sie gingen weg und schlossen sich der IRA an."
Eine Kommission unter Lord Widgery legte 1972 einen 36-seitigen Bericht vor, der ganz den Soldaten folgte. Das brachte der IRA weiteren Zulauf. Im Zuge des Friedensprozesses beauftragte die Labour-Regierung unter Tony Blair 1998 Mark Saville mit einer neuen Untersuchung. Es wurde die längste und mit 195 Millionen Pfund teuerste der britischen Rechtsgeschichte.
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