Nobelpreis für zwei Frauen aus Liberia: Mama Elli und die Kämpferin in Weiß
Ellen Johnson-Sirleaf und Leymah Gbowee haben zum Frieden in ihrem Land mit beigetragen. Und sie zeigen, dass Frauen stark sein können.
MONROVIA/GOMA taz | Manchmal heißt sie einfach nur Mama Elli oder unsere Mami. So nennen viele Liberianer ihre Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf liebevoll. Seit sie im November 2005 die Stichwahl um das höchste Amt im Staat gewann, hat Mama Elli - so empfinden es viele Liberianer - viel erreicht. Damals war der verheerende Bürgerkrieg, der offiziell 2003 beendet wurde, noch im ganzen Land spürbar. Die heute 72-jährige mehrfache Großmutter sorgte für Optimismus, Zukunft und Frieden. Vor allem hat sie aber eins vermittelt: "Man darf nicht aufgeben."
Dass Ellen Johnson-Sirleaf eine Kämpferin ist, hatte sie schon Jahrzehnte zuvor bewiesen. 1938 in der Hauptstadt Monrovia geboren, ist ihr eine gigantische Karriere gelungen. Nach ihrem Studium der Politik- und Wirtschaftswissenschaften in Harvard arbeitete sie unter anderem bei UNO und Weltbank. Trotzdem ist sie regelmäßig in ihre Heimat zurückgekehrt, wo sie in den 70er Jahren, lange vor der Bürgerkriegszeit, unter anderem vorübergehend Finanzministerin war.
Die damals herrschende US-nahe Elite in Liberia, das im 19. Jahrhundert von freigelassenen schwarzen Sklaven aus den USA gegründet worden war, verlor 1980 bei einem Militärputsch die Macht. Ab 1989 zerfiel Liberia in einem der blutigsten Bürgerkriege der Welt. Rund ein Zehntel der drei Millionen Liberianer starben in den Kämpfen, die erst 2003 zu Ende gingen, als Gewaltherrscher Charles Taylor unter Druck von Rebellen einwilligte, die Macht abzugeben und ins Exil zu gehen.
Die Eiserne Lady
In diesem Krieg, der sich auch auf Sierra Leone ausbreitete, wurden zahlreiche Frauen und Kinder Opfer brutaler Milizen. Im Frieden wurden sie belohnt. Johnson-Sirleaf, bereits zu Kriegszeiten herausragende Vertreterin einer Rückkehr zur zivilen Politik, wurde 2005 bei den Wahlen, die den Abschluss des liberianischen Friedensprozesses darstellten, die bisher einzige gewählte Präsidentin Afrikas und somit ein großes Vorbild: Frauen können etwas erreichen, wenn sie nur stark genug sind.
Bekannt ist Johnson-Sirleaf für ihre Disziplin, weshalb sie nicht nur Mama Elli heißt, sondern auch Eiserne Lady. Einer ihrer früheren Mitarbeiter sagt über sie: "Ellen Johnson Sirleaf ist streng und immer extrem gut vorbereitet." Doch sie sei auch eine sehr gütige Frau. "Sie setzt auf Vergebung. In Liberia ist das wohl die wichtigste Gabe."
"Der Friedensnobelpreis 2011 wird zu drei gleichen Teilen vergeben an Ellen Johnson-Sirleaf, Leymah Gbowee und Tawakkul Karman für ihren gewaltfreien Kampf für die Sicherheit von Frauen und für das Recht der Frauen auf volle Beteiligung an friedensbildender Arbeit. Wir können Demokratie und dauerhaften Frieden auf der Welt nicht erreichen, wenn Frauen nicht dieselben Möglichkeiten wie Männer zur Beeinflussung von Entwicklungen auf allen Ebenen der Gesellschaft bekommen.
Im Oktober 2000 hat der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1325 verabschiedet. Diese Resolution hat die Gewalt gegen Frauen bei bewaffneten Konflikten zum ersten Mal zu einer Sicherheitsfrage erklärt. Sie unterstreicht die Notwendigkeit, dass Frauen in gleicher Weise wie Männer an Friedensprozessen und Friedensarbeit generell beteiligt werden. (…)
Es ist die Hoffnung des norwegischen Nobelkomitees, dass der Preis an Ellen Johnson-Sirleaf, Leymah Gbowee und Tawakkul Karman dabei hilft, die Unterdrückung von Frauen zu beenden, die es weiter in vielen Ländern gibt, und das große Potenzial für Frieden und Demokatrie zu erkennen, das Frauen repräsentieren können. (dpa)
Bestes Beispiel dafür sei die von ihr eingerichtete Versöhnungskommission, die helfen sollte, den grausamen Krieg aufzuarbeiten. Die Kommission äußerte sich auch gegenüber der Präsidentin kritisch und warf ihr vor, zu Beginn des Krieges Charles Taylor unterstützt zu haben. Aber Liberia hat Mama Elli das längst verziehen. Vor ihrer Residenz in Liberias Hauptstadt Monrovia sagte sie nun, ihre Ehrung sei "eine Auszeichnung für das ganze liberianischen Volk" und für alle Frauen des Landes. Ihre ebenfalls mit dem Friedensnobelpreis geehrte Landsfrau Leymah Gbowee sagte, sie empfinde die Auszeichnung als "Nobelpreis für die afrikanischen Frauen".
Erste landesweite Frauenbewegung
Dass Liberia überhaupt zurück zum Frieden fand, hat das Land maßgeblich ihr zu verdanken. Die 39-jährige Gwobee erlebte den Kriegsausbruch als junges Mädchen. Als Liberia in Flammen aufging, wurde sie erst Sozialarbeiterin und dann Traumatherapeutin. In der Schlussphase des Bürgerkrieges organisierte sie die erste landesweite Frauenbewegung für den Frieden: Christinnen und Musliminnen, die öffentlich gemeinsam beteten. Weltweit bekannt wurde Gbowee 2003, als Liberias Warlords in Ghanas Hauptstadt Accra über Frieden verhandelten und die Gespräche vor dem Scheitern standen.
Mit 200 gleichgesinnten Liberianerinnen, gekleidet in der Friedensfarbe Weiß, belagerte sie das Konferenzzentrum, hinderte sie die männlichen Unterhändler daran, das Gebäude und damit die Gespräche zu verlassen, und erzwang dadurch den Fortgang der Verhandlungen.
"Dies ist keine traditionelle Kriegsgeschichte", erzählt Gbowee, die Mutter des liberianischen Friedens, in ihrer kürzlich erschienenen Autobiografie "Mighty Be Our Power". "Sie handelt von einer Armee von Frauen in Weiß, die aufstanden, als es sonst niemand tat; furchtlos, weil die schlimmsten vorstellbaren Dinge uns bereits passiert waren."
Friedensaktivistinnennetzwerk Wipsen
Die Initiative machte Schule. Weißgekleidete Frauendemonstrationen gab es Anfang dieses Jahres in der Elfenbeinküste, als sich der abgewählte Präsident Laurent Gbagbo mit Gewalt ans Amt klammerte. 2006 gründete Gbowee in Ghana das westafrikanische Friedensaktivistinnennetzwerk Wipsen (Frauennetzwerk für Frieden und Sicherheit), das sich für eine stärkere Beteiligung von Frauen bei Armeereformen und Friedensprozessen in der Region einsetzt. Dieses Jahr besuchte sie die Demokratische Republik Kongo, wo Frauen immer wieder gezielt Opfer unvorstellbar brutaler Vergewaltigungen durch Armee und Milizen werden.
Am 24. April wurde die jüngste Teilnehmerin an Gbowees Friedensblockade von 2003 in Accra beerdigt. Die junge liberianische Flüchtlingsfrau war verschleppt und zwangsprostituiert worden. Jetzt starb sie an Aids. "Bei der Beerdigung", schrieb Gbowee, "weinte ich."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen