Nils Schuhmacher Hamburger Soundtrack: Ganz tief unten
Ganz tief unten, wo noch niemand war“, sang Die Regierung aus Essen-Steele 1994. Die anschließende Aufforderung zum näheren Kontakt („Komm berühr mich“) hatte etwas Zweideutiges: Sie beinhaltete auf der einen Seite das Versprechen, dass die Nähe zur kleinen ruppigen Kultur, der die Band angehört, einen emotionalen, sozialen und auch einen erkenntnisbezogenen Mehrwert abwirft.
Auf der anderen Seite enthielt sie aber auch die Erkenntnis, dass das Ganze nur funktionieren kann, wenn es exklusiv bleibt. Die Losung ist: Ein paar müssen sich schon zusammenfinden, aber wenn alle kommen, sind eben alle da und unten ist dann oben.
Viele finden, dass das 25 Jahre später alles sowieso keine Rolle mehr spielt: Die kleine ruppige Szene hat sich verdünnisiert. Berührungen, wie jene, die Tilman Rossmy besang, haben die Nachhaltigkeit und Poesie eines Instagram-Posts (und aus Essen-Steele hört man auch nur noch, dass dort weitgehend unbehelligt seit fast einem Jahr wöchentlich ein Gemisch von Alt-Hooligans, Rockern und Nazis „für Deutschland“ demonstriert).
Da kann man schon mal finden, dass es Anlass für Kulturpessimismus gibt, hat aber gleichzeitig das Beharrungsvermögen des Kulturbetriebs unterschätzt. Denn wo fast niemand ist, warten auf uns zum Beispiel: Günter Schickert (25. 4., Nachtasyl), der als weithin unbeachteter „Krautrock-Pionier“ seit den 1970er-Jahren psychedelisch vor sich hinpluckert und jüngst – nach über 20 Jahren – mit einer neuen Veröffentlichung aufwartete; das Idiot Saint Crazy Orchestra (18. 4., „MS Stubnitz“), ein seltsam verkleidetes Experimentalrock-Ensemble aus Frankreich, das die optischen und musikalischen Linien von den Residents bis zu Ennio Morricone abschreitet (also weite Wege geht).
Und dann noch: The Cakekitchen (13. 4., Astrastube). Unspektakulärer Name, eine Band von vielen. Aber: Im Laufe ihres Bestehens sind die Neuseeländer weich gefallen an so unterschiedlichen Orten wie The Jesus and Mary Chain, den Lemonheads, den notorischen Post-Punk-Bands der frühen 1980er und den Go-Betweens auf einer dünnen Schrammelgitarre – also irgendwie auch in der musikalischen und geistigen Nähe der Regierung. Die haben übrigens „fast alle“ schon verpasst, denn sie war schon im März da.
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