Nils Schuhmacher Hamburger Soundtrack: Fast 1.000 Jahre Rebellion
Das Jahr 1077 wird gemeinhin mit Heinrichs IV. Gang nach Canossa in Verbindung gebracht, mit dem dieser bei Papst Gregor VII., letztlich erfolgreich, die Aufhebung seiner Exkommunizierung zu erreichen versuchte. Kundige Historiker wissen zusätzlich zu berichten, dass in eben jenem Jahr Wilhelm I. mit der Rebellion seines Sohnes Robert Kurzhose konfrontiert war, die in einem nachhaltigen familiären Zerwürfnis endete.
Nur wenigen, zum Beispiel dem Onlineportal Bewegungsmelder, ist hingegen bekannt, dass sich zum selben Zeitpunkt im späteren Leeds die Mekons (Mo, 8. 4., Hafenklang, 20 Uhr) gründeten. Sofern diese Information richtig ist, wäre die Band mit ihren 942 Jahren die dienstälteste Post-Punk-Band der Welt und setzte sich schon allein damit von den Heerscharen bauähnlicher Gruppen ab.
Sehr viel erwähnenswerter allerdings ist die Philosophie, mit der die Mekons linke politische Haltung und „totales Art-Noise-Chaos“ (so der Schlagzeuger der befreundeten Gang of Four) auf eine Weise zusammenfügten, die zunächst eher irritierte und abstieß als inspirierte und anzog. Aber Beharrungsvermögen setzt sich bekanntlich hin und wieder durch. Und heute gelten die Mekons, nach diversen musikalischen Häutungen Richtung Folk und Country, als „the most revolutionary group in the history of rock ’n‘ roll“ (Lester Bangs).
Erst 864 Jahre später wurde der heute weithin vergessene Peter Ernst Eiffe geboren. „Eiffe der Bär“ zog Ende der 1960er-Jahre, u. a. mit Stiften der erst kurz zuvor gegründeten Firma Edding, durch die Stadt, um sie mit Parolen zu überziehen, aus denen der Geist studentischer Revolte, dadaistischer Subversion und anderweitiger Devianz gleichzeitig atmete.
Zu einem jähen Ende kamen seine Aktivitäten, nachdem er im Mai 1968 mit seinem Auto in den Hamburger Hauptbahnhof eingedrungen war, um dort die „Freie Eiffe Republik“ auszurufen. Diese existiert noch heute. Wenn auch zurzeit nicht in der empirischen Wirklichkeit, so doch in „Eiffe for President, alle Ampeln auf gelb“. Der 1995 gedrehte, äußerst sehenswerte Dokumentarfilm über Eiffe erscheint dieser Tage in einer aufgefrischten Fassung (Sa, 6. 4., 20 Uhr, Lichtmess), ein umfassendes Buch über den wohl „ersten Tagger Hamburgs“ folgt in Kürze.
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