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■ Nieder-SchlagDom-Boxen à la Hollywood

Nik Schulze ist Schausteller auf dem Hamburger Dom. Er hat eine Preisboxbude. Für 5 Mark Eintritt veranstaltet er Kämpfe zwischen seinen Boxern und „Männern aus dem Publikum“, die ebenfalls auf seiner Gehaltsliste stehen. Den Zuschauern, die das kleine Zelt mit dem Boxring füllen, ist es egal, zumeist Kämpfe zu sehen, bei denen die Akteure den Faustkampf nur fingieren. Die Inszenierung stimmt, das Publikum gröhlt.

Klaus-Peter Kohl ist Boxpromoter, einer der namhaftesten in seinem Metier in Deutschland. Er hat mehrere hoffnungsvolle Boxer in seinem „Universum-Boxstall“, mit denen er Weltmeisterschaftskämpfe veranstaltet und plant. Der Hamburger Pay-TV-Sender Premiere ließ es sich mächtig viel Geld kosten, die Exklusivrechte für seine Veranstaltungen zu bekommen. Da der letzte WM- Fight von einem Kohl-Schützling, dem Pforzheimer Markus Bott, mit miesen Kritiken bedacht wurde, schlimmer noch, Bott seinen Titel im Cruisergewicht (WBO-Version) gegen den Argentinier Nestor Giovannini verlor, mußte für den Rückkampf ein Medienanreiz der besonderen Art her: Mickey Rourke, inzwischen in die Zweitklassigkeit gerutschter Hollywoodmime und Hobby- Profiboxer wurde für einen Schaukampf engagiert.

Ein Mordsandrang herrschte schon bei seiner Ankunft am Hamburger Flughafen am Mittwoch morgen. Überfüllt auch die Pressekonferenz, die am Donnerstag im Hamburger Hotel Atlantic veranstaltet wurde. Ebenso das Showsparring in der neueröffneten Boxhalle von Universum und Premiere.

7.000 Menschen drängten sich dann auch am Sonnabend abend in der ausverkauften Sporthalle in Hamburg Alsterdorf zu dem Kampfabend. „Der Sport soll im Vordergrund stehen“, äußerte sich Kohl in der Befürchtung, daß die Fights seiner Kämpfer wegen des Auftritts des 9 1/2-Wochen-Schauspielers unbeachtet bleiben würden.

Um 22.15 war es dann soweit: Im Kunsteisnebel, mit rotkarierten Boxershorts, die an beiden Seiten einen neckischen Einschnitt hatten, bestieg der Schauspieler den Ring und badete im Applaus des Publikums. Sein Gegner, der zuerst als Thomas McCoy – unter anderem im Programmheft – annonciert wurde, sich später als Thomas McKay herausstellte, gelegentlich als Gärtner arbeitet und in der Box-Szene gänzlich unbekannt war, erwartete ihn bereits. „Jeder Boxer würde sich freuen, Rourke mal etwas auf's Maul hauen zu können“, sagte Promoter Kohl. McKay aber nicht. Er schien Mitleid mit dem bereits in der ersten Runde kurzatmigen Schauspieler zu haben. Dezent nur stubste er Mickey. Gnadenlos indes das Publikum. Ein Pfeifkonzert ertönte, „Schieber“-Rufe wurden laut, als McKay in der 3. Runde auf den Ringboden purzelte und ausgezählt wurde.

Die fiese Zeitlupe von Premiere – der Sender hatte eine Großleinwand in der Halle installiert – offenbarte, daß McKay nur am Nacken touchiert wurde, mithin kein Grund für einen so kräftigen Kerl, sich gleich hinzulegen und nicht mehr weiter boxen zu wollen. „St. Pauli“ wurde von den bis zu 60 Mark teuren Plätzen skandiert. Das schmerzte Premiere und auch Herrn Kohl („Daß er kein begnadeter Boxer ist, wußte man vorher“) fast mehr als die neuerliche Punktniederlage des eigentlichen „Hauptkämpfers“ Markus Bott („Feierabend ist erst, wenn ich es sage“) gegen Giovannini. Schließlich hatten sie Prominenz en masse angekarrt, sogar Linke wie Wolf Biermann (der allerdings, fast so als hätte man ihn in einem Bordell angesprochen, der taz keine Fragen beantworten wollte), um endlich den Ruch des kieznahen Sports loszuwerden. Und dann das.

Auch Schausteller Nik Schulze ist ein wenig unglücklich über den Vergleich seines Spektakels mit dem Auftritt des Hollywood-Preisboxers. Denn auch wenn bei seinen Veranstaltungen die Dramaturgie ebenso abgesprochen ist wie bei dem Rourke-Kampf, erscheinen im Ring seine Mimen als die besseren Schauspieler. Zudem kostet Dom-Boxen nur 5 Mark. Kai Rehländer

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