Nicht verpassen! : Gut gerupft
„Menschen hautnah: Gestatten, Bestatter“, 22.30 Uhr, WDR
Der Finanzminister schaut auch auf seinem alljährlichen Fest vorbei. Das ist für Fritz Westhelle keine große Sache, schließlich leitet er ein aufstrebendes Unternehmen in einer boomenden Branche. Westhelle ist Insolvenzverwalter. Zurzeit befindet sich ein Autohaus in seiner Gewalt. Wenn alles gut geht, kann die Hälfte der Belegschaft bleiben. Die andere Hälfte wird ihn hassen.
Der Dokumentarfilmer Klaus Stern begleitet den Firmenbestatter bei seiner Arbeit. Er zeigt ihn bei Verhandlungen mit Banken und bei Diskussionen mit aufgebrachten Autoverkäufern. Stern darf fast überall dabei sein, denn Westhelle ist stolz auf seine Arbeit. Als Pleitenverwalter spricht er Entlassungen aus, als Firmenchef ist er mit Einstellungen beschäftigt. 157 Mitarbeiter sind bei ihm in Lohn und Brot, gerade ist seine Firma in einem bundesweiten Ranking auf Platz acht gerückt.
Regisseur Stern hat den Aufsteiger bei den Dreharbeiten zu einem Film über einen Absteiger kennen gelernt: In „Weltmarktführer“ (am Montag um 0.15 Uhr im ZDF, ebenfalls nicht verpassen!) porträtiert Stern den Biodata-Chef Tan Siekmann, den einstigen Star des Neuen Marktes. Während man Siekmann in seinem Privatflugzeug über den Wolken philosophieren sieht, fordert Westhelle auf dem Boden strafrechtliche Konsequenzen gegen den New-Economy-Schwindler.
Jede Zeit hat ihre Gewinner. Und heute: Gut Wetter zum Fleddern? So würde es der Titelheld aus „Gestatten, Bestatter“ wohl nicht ausdrücken. Einer muss den Job ja machen, sagt er. Westhelle findet sich selbst sehr sympathisch, sieht sich als Profi zum Gernhaben. Kommt der schwere Mann irgendwo in ein Büro – es ist Ostern –, grabscht er sofort nach den Schokoeiern in den hübsch drapierten Körbchen. Wenn Westhelle geht, sieht dann alles ein bisschen gerupft aus. Sowohl die Osterkörbchen als auch die Belegschaft. CHRISTIAN BUSS