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Nicas Wahlregister - vor Anfechtungen gefeit

Das aufwendig erstellte Register ist die Grundlage für faire Wahlen  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Es ist 68.000 Blatt stark, neunzig Kilo schwer und allein sein Papierwert beträgt 6.800 Dollar. Zeitweise waren an die 700 Personen mit seiner Erstellung beschäftigt. Nicaraguas Wahlregister, ein kleines Meisterwerk, ist die Grundlage für die Unanfechtbarkeit der Wahlen am Sonntag. Es enthält die Daten 1,75 Millionen Wahlberechtigter. Nicaragua kennt keine Meldepflicht für Geburt und Tod, die Personenstandsregister beruhen auf Kirchenbücher. Der Volksaufstand 1978/79 hat rund 50.000 Menschenleben gefordert, Eintragungen wurden bis 1980 nicht vorgenommen. Eine Grundlage für ein zuverlässiges Wahlregister gab es somit nicht. Deswegen beschloß der Oberste Wahlrat (CSE), alle Wahlberechtigten zur Registrierung aufzurufen.

Jürgen Warnke, bundesdeutscher Minister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, den Anfang Juni der Zweifel an einer fairen Chance für die Oppositionsparteien nach Managua trieb, zeigte sich damals besonders interessiert an einem hieb- und stichfesten Wahlregister. Dies sei keine Frage des Willens sondern der Finanzierung, erklärte Daniel Ortega dem Gast und schlug ihm vor, er solle doch auch einen Beitrag leisten. Da dieser Wunsch von den Oppositionsparteien sekundiert wurde, ließ sich Warnke denn dazu bewegen, bei der Erstellung eines betrugssicheren Wahlregisters behilflich zu sein. Diese Zusage sollte die Bundesrepublik runde fünf Millionen DM kosten. Denn allein die beiden Zentralcomputer mit der entsprechenden Software schlugen mit 3,5 Millionen Mark zu Buche.

Wie ehrlich es Washington mit seiner immer wieder erhobenen Forderung nach sauberen Wahlen in Nicaragua meint, darüber gibt die Tatsache Aufschluß, daß ein Anruf auf höchster Ebene aus Bonn an US-Außenminister Baker nötig war, um die Reexportgenehmigung für gewisse aus den USA stammenden Bestandteile der Siemens-Computer zu bekommen. Denn eine generelle Befreiung vom Wirtschaftsembargo gilt nur für Lieferungen an die Contras. Obwohl die Apparate buchstäblich erst in letzter Minute geliefert wurden, war das Register Mitte Januar fertig und wurde den Parteien zur Prüfung überreicht.

„Die Fehlerquote liegt weit unter einem Prozent“, versichert mit berechtigtem Stolz Cornelius Hoopmann, Leiter der EDV-Abteilung der Technischen Universität von Managua. Für ein Land wie Nicaragua ist das sensationell niedrig und politisch von großer Bedeutung. Denn an den Wahlen in El Salvador 1984 hatte Washington nichts auszusetzen. Damals hatte die US-Computeranlage ein Wahlregister fabriziert, das zu 40 Prozent unbrauchbar war.

„Was kümmert ihr euch um 80 Stimmen?“ fragte sich ungläubig ein venezolanischer Wahlbeobachter, der gerade durch die Anlage geführt wurde, als alle Mitarbeiter verzweifelt aber erfolgreich nach acht Listen aus Managua suchten. „In Venezuela wäre das vielleicht kein Problem“, erklärte ihm Julian Corrales vom CSE, „aber von uns wird Perfektion verlangt.“

Die technischen Vorbereitungen dieser Wahlen sind tatsächlich so perfekt, daß selbst die Oppositionsallianz UNO auf der Suche nach einem Haar in der Suppe scheiterte. Sie ließ das Wahlregister in Costa Rica in einen Rechner einfüttern und entdeckte dabei 1.449 Doppelregistrierungen. Mehr als tausend davon waren zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits von CSE entdeckt und bereinigt worden. Bei den restlichen dürfte es sich um Personen gleichen Namens handeln.

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