Neustart von BBC Arabia: Der Basar als Infoquelle

Entgegen der Boxerregel "They never come back" startet BBC Arabia im März zum zweiten Mal. Die Despoten der Region haben schon vorgesorgt.

Kairo: Von hier aus will BBC Arabia sein Programm für die arabische Welt senden. Bild: dpa

Jerry Timmins, Chef für die Afrika- und Nahostregion bei der BBC, ist zuversichtlich: "Es gibt dort einen wahren Hunger nach Nachrichten. Und BBC, das heißt Genauigkeit." Gerade diese unabhängige Genauigkeit will das öffentlich-rechtliche britische Senderimperium ab 11. März auch wieder mit einem eigenen arabischsprachigen TV-Nachrichtenkanal bieten. BBC Arabia sendet dann für rund 35 Millionen Haushalte von Marokko bis Saudi-Arabien

Al-Dschasira: Sendestart 1996, Sitz: Katar; zeigt das deutsche "Sandmännchen". Seit November 1996 zusätzlicher Kanal auf Englisch (Al Jazeera English)

Al-Arabia: Sendestart 2003, Sitz: Dubai (Vereinigte Arabische Emirate); gehört saudischen Investoren

Abu Dhabi TV: Sendestart 2000 (Relaunch), Sitz: Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate); kein reiner Nachrichtenkanal, News alle drei Stunden STG

In der Region gibt es zwar bereits 250 TV-Kanäle, und auch die BBC war schon einmal mit einem arabischen TV-BBC am Start: Das "alte" BBC Arabia, ein Gemeinschaftsprojekt der Briten mit Saudi-Arabien, wurde 1996 von seinen saudischen Partnern mundtot gemacht. Der Sender hatte es nämlich genau genommen und auch über Misstände und gar die Opposition im absoluten Königreich am Golf berichtet, was denen dort gar nicht gefiel. Da sich die BBC nicht den Zensur-Vorgaben der saudischen Seite beugen wollte, war Schluss mit dem ersten BBC Arabia: Der Sender verschwand im April 1996 vom Hot-Bird-Satelliten. Viele seiner JournalistInnen wanderten ins kleine Scheichtum Katar aus - und bildeten dort den Grundstock von al-Dschasira, dem heute wohl bekanntesten Nachrichtenkanal der arabischen Welt.

Die BBC, deren World Service Radio seit 1938 ununterbrochen auf Arabisch sendet, kehrt verhältnismäßig spät mit einem arabischsprachigen TV-Angebot in die Region zurück. Selbst Deutsche Welle TV hat sein arabisches Angebot schon im April 2007 auf täglich acht Stunden verstärkt. Auch DW-TV baut aufs Image als unabhängige Nachrichtenquelle. "Wir sind bekannt für unsere Seriosität", sagt Chefredakteur Mustafa Isaid.

Hierauf setzt auch die BBC, die ihren zweiten Start bereits seit sechs Jahren vorbereitet. Das neue Produktionszentrum steht nicht mehr in Saudi-Arabien, sondern in Ägyptens Hauptstadt Kairo, vor der Konkurrenz der anderen arabischen News-Kanäle hat bei BBC Arabia niemand Angst: "Für Qualitätsjournalismus braucht es in jedem Land Wettbewerb", sagt Timmins. Für das Programm stehen in den kommenden drei Jahren 70 Millionen Pfund (umgerechnet rund 100 Millionen Euro) zur Verfügung.

Laut vollmundiger Selbstdarstellung will die BBC den "Interessen der arabischen Region" dienen, frei von wirtschaftlichen Interessen "Dialog, Menschenrechte und kulturellen Austausch" fördern - und natürlich auch Themen aus dem arabischen Alltag aufgreifen. Das will offiziell auch das arabische Programm der Deutschen Welle, doch ihre Sendungen stoßen zumindest daheim in Deutschland auf zum Teil herbe Kritik: Der Erfurter Medienprofessor und Nahost-Spezialist Kai Hafez nennt das Programm "eine Konserve". Faktisch hätten vier Fünftel des Programms, das mit einem Bruchteil des BBC-Etats auskommen muss, nach seinen Beobachtungen gar keinen Bezug zur arabischen Region. Und die deutschlandbezogenen Nachrichten erinnerten eher an Selbstdarstellung und Werbung für den Wirtschaftsstandort Germany. Themen wie Frauen- oder Menschenrechte vor Ort würden zwar angesprochen, sagt Hafez. Aber um dem belehrenden Gestus zu entgehen, müssten die Sendungen "auch internationale Probleme aufgreifen. Die Besetzung der afghanischen oder irakischen Ölzugänge, das ganze Thema Neokolonialismus" sei dort - wie übrigens auch in Deutschland - "noch gar nicht angekommen".

Die BBC verspricht nun, regionale Probleme tatsächlich stärker zu thematisieren. Der Sender will weg von der Spitzenpolitik hin zu sozialen Themen wie Bildung, Redefreiheit oder Wasserzugänge. "Cafés, Basare, Familie und Freunde" sollen zu neuen Informationsquellen werden, sagt Jerry Timmins, der seit 1979 in der Region als BBC-Journalist gearbeitet hat.

Doch noch vor dem erneuten Start von BBC Arabia ziehen schon wieder dunkle Wolken auf: Die von den Staaten der Arabischen Liga jüngst beschlossene Medien-Charta (taz vom 14. 2.) baut kritischer Berichterstattung vor: "Die Meinungsfreiheit muss mit Vorsicht und Verantwortung gehandhabt werden, damit das übergeordnete Interesse der Arabischen Staaten geschützt wird", heißt es dort. Al-Dschasira-Chef Wadah Khanfar nannte die Charta "die größte Bedrohung der Pressefreiheit in der Region seit einem Jahrzehnt".

Und auch, dass die BBC-Arabia-Zentrale nicht mehr in Saudi-Arabien, sondern in Kairo ist, wird wenig nützen: Ägypten, so hatte es Informationsminister Anas al-Fiqi bei Verabschiedung der Charta vor gut zehn Tagen erklärt, wolle unter den "Ersten sein, die diese Charta durchsetzen".

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