Neues Magazin Gala Men: Für die Frau im Mann
Gala Men ist die neue Zeitschrift für den modernen Mann. Der bekommt beim Lesen Komplexe.
Diese Zeitschrift ist wie ein Blick in den Spiegel der Umkleidekabine: Bei Tageslicht und auf der Straße fühlt man sich ganz vorzeigbar. Zumindest führen sich die meisten anderen Menschen auch nicht besser auf. Doch nach dem ersten Blick in den Zerrspiegel namens Gala Men ist alles Selbstwertgefühl zunichte: Warum verbringe ich meine Nächte nicht mit Kate Moss? Warum fülle ich meine Winterabende noch nicht mit "Laufen, Boxen und leichtem Muskelaufbau"? Und wie habe ich bislang ohne Augencrème für 125 Euro überleben können? Kurzum: Gala Men ist wie jede x-beliebige Frauenzeitschrift. Nur für Männer.
Die fünf Euro teure Testnummer übersetzt ganz clever den klassischen Frauenzeitungs-Dreh, erst Probleme zu schaffen, deren Lösung sie dann anbietet, auf den Männer-Markt. Da gibt es den "Pflegeguide" ("Ist Naturkosmetik auch was für Männer?"), die überteuerte Boutique ("Warum kostet dieser Schuh 5.600 Euro?") und alles, was irgendjemand bestimmt schon mal über Sex wissen wollte ("Bleistift-Penis heißt, dass die Eichel deutlich kleiner ist als der Schaft.").
Damit die Leser diesen Spiegel aus Hochglanzpapier mit einem guten Gefühl fortlegen, gibt es das ebenfalls bewährte Segment Berühmtheiten-sind-auch-nur-Menschen. Darin gibt sich der ZDF-Moderator Steffen Seibert für eine Home Story her. "Der liebe Herr Seibert - ein schräger Vogel?" heißt das Stück über ihn, und es spielt auf den superkrassen Umstand an, dass im Schuppen neben seinem Wiesbadener Häuschen ausgestopfte Vögel parken. Wer hätte das gedacht? Und wen auch nur interessiert? Wer dieses Blättchen niederlegt, durch den kriecht ein irritierendes Gefühl: Denken dessen Macher tatsächlich, ich ähnele Steffen Seibert?
MATTHIAS LOHRE
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Als Frau fühlt man sich ja gerne mal benachteiligt. Darum ist die erste Reaktion auf die Gala Men ein pöbelndes: Und wo ist die Gala Women? Es wurden schon zu viele Männer beim Lesen der Gala erwischt, als dass ein Verweis auf diese "Frauen-Gala" genügen würde. Selbst wenn, die Neue ist viel edler, viel teurer, viel wertiger.
Allerdings macht der Neid schnell dem Mitleid Platz. Jetzt haben die Männer also auch eine Frauenzeitschrift. Und sie lernen, dass sie zu dick sind, zu uncool, zu schmutzig und dass Penelope Cruz wahrscheinlich nicht mit ihnen ins Bett gehen würde, zumindest nicht im mental aktiven Zustand. Nebenbei ist viel Gemurmel über den neuen Mann, passend dazu wird als attraktives Werbeumfeld jeder abgebildet, der je eine Augencreme sanft einmassiert hat - das sind neben Brad Pitt natürlich Til Schweiger und Steffen Seibert. Der ist eh ein ganz Wilder und legt Wert auf Werte, wie "immer noch mit seiner - ersten - Ehefrau" verheiratet sein. So bieder kann eine Neuerscheinung sein. Grenzenlos wird das Mitleid auf Seite 97. Mit der dort abgedruckten Messlatte lässt sich der Penis messen. Dabei war doch zuvor im Heft zu lesen, dass es auf den Humor ankommt. Der geht Gala Men völlig ab.
DANIELA ZINSER
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