Neues Gesetz von Kristina Schröder: Krach um Kinderschutz
Bund und Länder streiten sich, ob Kinderschutz von den Kassen bezahlt werden darf. Das entsprechende Gesetz könnte nun im Bundesrat scheitern.
BERLIN taz | Der Streit zwischen Bund und Ländern über das neue Kinderschutzgesetz bekommt weitere Nahrung: Das FDP-geführte Gesundheitsministerium möchte den Kinderschutz nicht durch die Krankenkassen mitfinanzieren.
Der Entwurf von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) für ein neues Kinderschutzgesetz sah zunächst vor, dass Geburtskliniken und Ärzte die sogenannte Primärprävention vornehmen können. Es geht dabei darum, hilfsbedürftige Familien zu identifizieren.
In Rheinland-Pfalz etwa wird an Geburtskliniken ein Fragebogen ausgefüllt, mit dem die soziale Situation der Mutter erfasst wird und mit dem ermittelt wird, ob sie nach der Geburt besonderer Betreuung bedarf. Diese Erhebung machen im Moment Jugendamts-MitarbeiterInnen oder Ehrenamtliche - unentgeltlich. Schröders Gesetzentwurf sollte dieses Screening als Kassenleistung verankern. Doch dies hat Gesundheitsminister Bahr verhindert.
"Wir haben im Bereich Kinderschutz schon sehr viel geregelt, was in unserem Zuständigkeitsbereich liegt", erklärte ein Ministeriumssprecher der taz. "Das Screening aber ist eine Leistung der Daseinsvorsorge. Und die Daseinsvorsorge ist Aufgabe der Länder." Die Bundesländer aber sehen das anders. Für sie geht es um die Gesundheit der Kinder und nicht um Daseinsvorsorge: "Die Krankenkassen sollen […] die primärpräventiven Leistungen zum Erhalt der Kindergesundheit fördern", postulieren sie.
SPD-Länder wollen Gesetz scheitern lassen
Die Länder werden das Kinderschutzgesetz kommende Woche im Bundesrat wohl scheitern lassen. Mehrere SPD-regierte Länder wollen sich enthalten, heißt es aus dem SPD-geführten Rheinland-Pfalz. Daraufhin müsste die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss anrufen. Völlig unklar ist damit, ob das Gesetz wie geplant zum 1. Januar 2012 in Kraft treten kann.
Die Länder sind auch erbost, weil die Familienministerin ein 120 Millionen Euro teures Modellprojekt spendieren will, mit dem sogenannte Familienhebammen Eltern rings um die Geburt eines Kindes zur Seite stehen können. In der Stellungnahme des Bundesrats-Familienausschusses wird darauf hingewiesen, dass die Bundesländer längst eigene Programme aufgelegt haben. Das Modellprojekt würde damit zu Doppelstrukturen führen.
Obendrein brächen die neu aufgebauten Strukturen nach vier Jahren, wenn das Modellprojekt auslaufe, wieder zusammen. Für Familienhebammen, so die rheinland-pfälzische Familienministerin Irene Alt (Grüne), brauche man "nicht ein auf vier Jahre befristetes Modellprojekt, sondern verbindliche Regelungen, die dauerhaft durch Bundesmittel abgesichert sein müssen". Schröders Kinderschutzgesetz dagegen werde ein Papiertiger bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“