: Neuer Deutscher Arbeitsdienst
betr.: „Mehr Arbeitslose durch Arbeitspflicht“, taz vom 16. 6. 06
Der Defekt muss im Jahr 2000 eingetreten sein, denn da war der CSU-Experte Müller „Privatkundenbetreuer; zuständig für die Betreuung vermögender Privatkunden“; so schreibt er in seiner Online-Biografie über sich. Das prägt. Jeden Tag das sauer verdiente Geld Vermögender zu mehren, während sich Millionen von Arbeitsdienstverweigerern einen schönen Lenz machen, das schlägt aufs Gemüt – nachhaltig, wie man heute lesen kann.
Nun, zum Abgeordneten mutiert, firmiert er als Experte für einen Markt, deren Kunden zu verachten nicht einmal seine christliche Erziehung zu verhindern vermocht hat. Bar jedweden Anstands und in gänzlicher Unkenntnis trübster deutscher Vergangenheit bedient er den Hass- und Neidkomplex seiner Klientel – wahrscheinlich nicht einmal in deren erklärtem Interesse. Nicht zu Unrecht schreiben ganz normale Menschen wutentbrannt verbitterte, entsetzte und zynische Mails gegen seine Botschaft vom Heil eines Neuen Deutschen Bundesarbeitsdienstes, eine von ihm empfohlene Einrichtung, die nun rein gar nichts mit dem Reichsarbeitsdienst zu tun haben soll.
Hat denn dieser Schnösel vergessen, dass Arbeitsdienst auch die langzeitige Leidensalternative zur finalen Selektion war? Erwägt er schon heimlich, die renitente Masse der Arbeitsplatzverlierer zur besseren Identifikation zwangsweise mit einem hübschen Button zu versehen – zum Aufkleben, und mithin ganz anders als frühere Diskriminierungsinsignien? Sieht er vor seinem geistigen(?) Auge schon geordnete Heere von im Gleichschritt zur gemeinsamen Feldverpflegung marschierenden ausgemachten Verweigerern vorbeiziehen? Liegt es da nicht nahe, die Grundsicherung um den Betrag zu kürzen, den die Lagerküche für Essensaufwendungen ersetzt?
PETER STADERMANN, Berlin