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Neuer Atlas der Globalisierung Die Atlasmacher

Am 25. Oktober erscheint der neue Atlas der Globalisierung „Ungleiche Welt“. Über die Macher und den Entstehungsprozess berichten wir schon jetzt.

Die Macher hinter dem Zahlen-Daten-Fakten-Wunder namens Atlas der Globalisierung Foto: Anja Weber

Von NINA APIN

taz Info, 23.05.22 | Die Welt in all ihrer Kompliziertheit in eine Handvoll Torten, Schlangenlinien oder Quadrate zerlegen? Für Adolf Buitenhuis und Stefan Mahlke ist das kein Pro­blem. Das Duo vollbringt zum zweiten Mal ein Zahlen-Daten-Fakten-Wunder, das dann, übersichtlich gesetzt und liebevoll gebunden, als „Atlas der Globalisierung“ herauskommt.

Knapp 200 Seiten stark ist er üblicherweise und bietet so etwas wie eine kritische Bestandsaufnahme der Zeit, in der wir leben: Plastikmüll, Freihandel, Fettleibigkeit oder Häkeldecken.

Afrika hat die meisten „Häkeldecken“

Häkeldecken? Adolf Buitenhuis muss lachen. „Schau noch mal genau hin“, ermutigt der großgewachsene Holländer und hebt seine weißblonden Brauen. Und tatsächlich – das heimelig anmutende Muster täuscht.

Die bunten Vierecke, die so hübsch über den Globus verteilt sind, stellen die 20 häufigsten Todesarten nach Region dar. Afrika hat die meisten „Häkeldecken“ und die dichtesten Fadenstränge bei Infektionskrankheiten, welche in Europa schon lange keine Rolle mehr spielen.

Atlas der Globalisierung

Buitenhuis ist Autodidakt. Die Kunst, Statistiken, Studien und Recherchen in Grafiken zu verwandeln, hat er sich selbst beigebracht. Zur taz stieß der 60-Jährige 2000, wo er zunächst als Werbegrafiker arbeitete, aber bald sein Talent in die Produktion der Atlanten von Le Monde di­plo­ma­tique (LMd) einbrachte.

Der Atlas: Ein Verkaufsschlager

Der erste „Atlas der Globalisierung“ erschien 2003, Herausgeberin war damals die französischsprachige Redaktion von Le Monde di­plo­ma­tique in Paris. Seit zehn Jahren werden die Bild-, Grafik- und Erklärwerke von den LMd-Kol­le­g:in­nen in Berlin gefertigt.

Ein Verkaufsschlager: Der letzte Atlas von 2019 erreichte eine Auflage von 90.000. Die Zielsetzung des Atlantenprojekts beschreibt Kollege Mahlke kurz und bündig so: „Fundiertes Hintergrundwissen für die interessierte Zeitungsleserin.“

In einigen Oberstufenklassenzimmern hätten die Bände schon Eingang gefunden, auch wenn sie nicht dezidiert als Unterrichtsmaterial aufbereitet seien. „Aber ich habe, wenn es um die Verständlichkeit der Texte geht, immer den wachen Elftklässler im Kopf.“

Klimaziele und Postwachstumstheorien

Mahlke ist schon lange bei der taz, der 59-Jährige mit dem charmanten Ostberliner Dialekt arbeitet seit 2006 als Korrektor. Wo Buitenhuis in Farben und Formen denkt, ist Mahlkes Metier der Text.

Klimaziele, Postwachstumstheorien, französische Vorstädte oder chinesische Überwachungspraxis – er spürt mit freundlicher Hartnäckigkeit jedem argumentativen Widerspruch nach – bis es Zeit ist für eine Pause in der taz Kantine oder im Panoramaraum des Hauses, wo eine Tischtennisplatte steht.

Buitenhuis dagegen ist lieber allein – mit seinen Daten. Seit fast zehn Jahren lebt er im Oderbruch, wobei Landromantik mit Gemüsegarten seine Sache nicht ist. Eher geht er klettern oder ärgert sich nachts über die lauten Nachtigallen.

Grafiken nicht nur appetitliches Beiwerk

Und tagsüber? Manchmal hat er dann eine bestechend einfache Idee, wie das Bild „Lights on Earth“ für den neuen Atlas „Ungleiche Welt“: Lichtbänder markieren die Konturen von Nordamerika, Nordeuropa und kleine Teile Asiens. Der afrikanische Kontinent liegt im Dunkeln, mit wenigen vereinzelten Lichtpunkten. Ein grafischer Kommentar, der für sich steht.

Im „Atlas der Globalisierung“ sind die Grafiken nicht nur appetitliches Beiwerk, die den Einstieg in die oft komplexen Fachtexte erleichtern sollen, sondern ein eigenständiges Rechercheformat: Datenjournalismus, so handgemacht und individuell wie die Texte.