: Neue Streikwelle um Berg-Karabach
■ Seit Montag erneuter Generalstreik in Berg-Karabach / Hunderttausend demonstrieren in Eriwan / Für Freitag Arbeitsruhe in Armenien angekündigt / „Nationalbewegung“ fordert größere Souveränität für armenische Republik / Moskau bestätigt Generalstreik
Berlin (afp/taz) - Nach zweimonatiger Ruhe ist es wieder zu Protesten in der aserbeidschanischen Region Berg-Karabach gekommen. Der sowjetische Außenamtssprecher Gerassimow hat gestern bestätigt, daß Stepanakert von einem Generalstreik lahmgelegt wird und in der armenischen Hauptstadt Eriwan eine Demonstration auf dem Opernplatz stattgefunden hat.
In Stepanakert, der Hauptstadt der vorwiegend von Armeniern bewohnten Region, wurde am Donnerstag der Anfang der Woche begonnene Generalstreik fortgesetzt, um gegen die Umsiedlung von Aserbeidschanern in die Region zu protestieren. Hunderte von Aserbeidschanern, die ihrerseits die armenische Republik verlassen haben, werden nach Meinung armenischer Bürgerrechtler bewußt in dem umstrittenem autonomen Gebiet Berg-Karabach angesiedelt, um im Vorfeld der für 1989 geplanten Volkszählung die Armenier in die Minderheit zu drängen. Die Parteiführung Aserbeidschans hatte zugesagt, die Auswanderer in anderen Regionen anzusiedeln.
Die armenischen Bürgerrechtler wenden sich unter anderem gegen den großangelegten Bau von neuen Wohnungen für Aserbeidschaner in Schuscha, der zweitgrößten Stadt Karabachs. Nach Angaben des Mitglieds des Karabach-Komitees Ambartsum Galastian, der telefonisch aus der armenischen Hauptstadt Eriwan berichtete, fordern die Streikenden in Stepanakert ein Ende der Finanzkontrollen in den Unternehmen der Karabach-Region, die sich gegen Firmenchefs richteten, die für die armenischen Forderungen eingetreten waren. Weiterhin wollen die Streikenden den Staatsanwalt der Region absetzen, die Verfahren wegen Waffenbesitz eingestellt wissen und den Bau eines regionseigenen Gefängnisses erreichen.
In Eriwan wurde am Mittwochabend am Platz vor der Oper von 100.000 Menschen ein Generalstreik für Freitag ausgerufen. Die Mitglieder des Eriwaner Karabach-Komitees hatten am Mittwoch bekanntgegeben, sie wollten noch in dieser Woche den Behörden der Sowjetrepublik Armenien die Statuten einer „Armenischen Nationalbewegung“ vorlegen. Die neue Dachorganisation soll über die Forderung nach Anschluß von Nagorny-Karabach hinaus alle in Armenien aufkommenden Bestrebungen vereinen. Das bereits in Tausenden von Exemplaren auf armenisch verbreitete Programm fordert nicht die Unabhängigkeit Armeniens von der Sowjetunion, sondern nur größere Selbständigkeit im Rahmen des Sowjetstaates in Anlehnung an die Rechte der baltischen Staaten. Wirtschaftliche Selbstbestimmung, armenische Einheiten innerhalb der Sowjetarmee und eine Förderung der armenischen Sprache sind die Hauptforderungen.
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