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Neue Runde im Moschee-StreitObama relativiert Aussage

US-Präsident Obama macht sich für Religionsfreiheit stark und relativiert wenig später seine Äußerungen. Der Grund: eine Woge der Empörung vor den Wahlen.

Unter Druck der Opferverbände: US-Präsident Obama. Bild: dpa

WASHINGTON taz | US-Präsident Barack Obama hat den Streit über den Bau einer Moschee in unmittelbarer Nachbarschaft zu Ground Zero zur Chefsache gemacht. Am Wochenende durchbrach er dazu sein monatelanges Schweigen: "Muslime haben das Recht, ihre Religion auszuüben wie jeder andere in diesem Land", erklärte Obama am Freitag bei einem traditionellen Fastenbrechen zu Beginn des Ramadans im Weißen Haus. "Das beinhaltet das Recht, einen Gebetsort und ein Gemeindezentrum in Lower Manhattan zu bauen, solange es den örtlichen Gesetzen entspricht."

Die dadurch ausgelöste Woge der Entrüstung ließ Obama keine 24 Stunden später zurückrudern. Aus seinem Familienurlaub in Florida erklärte der Präsident: "Ich habe die Weisheit der Entscheidung, eine Moschee dort einzurichten, nicht kommentiert und werde es nicht tun."

Obama hat sich mit seinen Äußerungen ins Zentrum einer Debatte gebracht, aus der er sich eigentlich heraushalten wollte. Seit Wochen gibt es erbitterten Streit darum, ob Muslime zwei Blöcke vom Gelände des ehemaligen World Trade Centers entfernt, auf dem bei den Anschlägen vom 11. September 2001 rund 3.000 Menschen starben, ein Islamisches Zentrum errichten dürfen. Ein Verband hatte das Gelände vergangenes Jahr für 4 Millionen Dollar gekauft und will 100 Millionen Dollar in ein dreizehnstöckiges Gebäude investieren. Anfang des Monats hatten New Yorks Stadtplaner die letzte legale Hürde für den Bau beseitigt, indem sie dem bisherigen Haus auf dem Grundstück den Denkmalschutz versagten. Das Haus war durch 9/11 beschädigt worden. Nicht nur Konservative, Opferverbände oder jüdische Organisationen protestieren gegen den Bau dieser Moschee. Nach einer CNN-Umfrage geht er 68 Prozent der US-Bürger gegen den Strich.

Das Weiße Haus hatte sich bedeckt gehalten mit dem Hinweis, dies sei eine lokale Angelegenheit. New Yorks unabhängiger Bürgermeister Michael Bloomberg, der ein starker Verfechter der Moschee-Pläne ist, begrüßte Obamas Einmischung nun als "Fanfare der Verteidigung der Religionsfreiheit". Kritiker sehen Obama hingegen als "Opfer politischer Korrektheit" und beschimpfen ihn als Verräter. "Barack Obama hat Amerika an einem Ort verlassen, wo das Herz Amerikas vor neun Jahren gebrochen wurde und wo seine wahren Werte für alle zu sehen waren", so die Organisation "9/11 Families for a Safe & Strong America". Parlaments-Minderheitenführer John Boehner nannte die Moscheepläne "zutiefst verärgernd, wie auch die Entscheidung des Präsidenten, sie zu unterstützen".

Der Präsident wird in der konservativen Wählerschaft immer wieder wegen seines kenianischen Vaters und seiner Kindheitsjahre im muslimisch dominierten Indonesien attackiert. Er hatte sich die Versöhnung mit den Muslimen zum Ziel gesetzt. In einer Rede in Kairo sprach Obama vergangenes Jahr von einem "Neubeginn".

Dass er sich jetzt in die Moschee-Debatte einmischt, finden selbst Parteifreunde unglücklich. Sie fürchten um Stimmenverluste bei den bevorstehenden Zwischenwahlen im November, bei denen die Demokraten ohnehin um ihre Mehrheit im Parlament zittern. Obama und seine Partei stecken im Umfragetief: Laut Gallup-Institut sank die Zustimmung zu seiner Amtsführung mit 44 Prozent so tief wie nie zuvor. Nach Obamas eigenen Aussagen baten ihn sogar neun demokratische Kandidaten ausdrücklich, sie nicht mit Auftritten in ihrem Wahlkampf zu unterstützen.

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8 Kommentare

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  • K
    Kunibert

    Man sollte nicht vergessen, dass es keine Muslime waren die die Anschläge vom 09/11 durchgeführt haben, sondern Extremisten.

  • A
    alex

    @nils

     

    dein vorwurf an die add der usa ist einfach unsensibel. stell dir einfach vor, der reichstag in berlin würde von islamisten mit einem flugzeug in die luft gesprengt. der halbe tiergarten wäre deswegen abgebrannt, es wären riesige schäden zwischen kanzleramt und pariser platz. und dann berufen sich moslems in D auf die religionsfreiheit und bauen eine riesige moschee auf dem gelände des reichstags.

    wäre da empörung angebracht? würdest du dann den protest auch als falsch und ignrorant abtun?

     

    bei rechtsextremen sind wir ständig auf "hab acht" - da fordern wir eine wehrhafte demokrarie. wieso eigentlich nur da?

  • LM
    Le Mec

    Entschuldigung liebe taz, aber diese Umfrage rechts ist wirklich doof. Die dritte Antwortoption beinhaltet eine Annahme und stellt sie als Fakt dar. Ebenso Option 2, wenn auch in leichterer Form. Das beeinflusst das Antwortverhalten, wie man sieht. Option 1 steht dagegen im Konjunktiv.

  • N
    Nils

    Die Diskussion um die Moschee nahe des Ground Zero entlarvt, wie es um die amerikanische Gesellschaft, um ihr politisches und religiöses Freiheits- und Toleranzverständnis wirklich steht. Es ist mutig von Obama und Bloomberg, eine derartige Position zu beziehen, die m.E. voll im Einklang mit dem ursprünglichen (!) Verständnis von Freiheit und Toleranz der USA steht.

     

    Die Wähler werden sie dafür bestrafen und damit beweisen, dass in den USA nichts so schön ist, wie es die Amerikaner jeden Tag aufs neue behaupten und was sie jeden Tag aufs neue in irgendeinem Krieg gegen irgendein schwaches Land zu verteidigen behaupten.

  • H
    Hjalmar

    Meiner Meinung nach, eine mutige und richtige Entscheidung von Obama.

    Die Muslimen, die ihre Religion friedlich ausleben, befürworten in keinster Weise Terroranschläge, trotzdem diffamieren diese Taten den ganzen islamischen Glauben.

    Der Bau dieses Zentrums setzt ein deutliches Zeichen, für die Rechte der Muslimen, die sowieso schon mit harter Kritik zu kämpfen haben. Desweiteren, waren es keine amerikanisch-muslimischen Terroristen, die für 9/11 verantwortlich waren.

    Die Inquisition der Christen, hat auch nicht dafür gesorgt, dass in Europa keine Kirchen mehr gebaut werden dürfen. Extremisten gibt es in jeder Religion, ein Verbot dieses Zentrums würde nur zeigen, dass Extremisten über Religionsfreiheit entscheiden. Das gilt es zu verhindern.

  • M
    Michael

    Das nimmt ihm doch jetzt keiner mehr ab.

  • O
    Oberhart

    Obama mag einer der eloqunetesten Präsidenten in der Geschichte der USA sein, wiedergewählt wird er sicher nicht. Wachsweich! Keine Konsequenz im Handeln, Wahlversprechen verzögern sich unendlich und immer wieder sucht er unverständlicherweise einen versöhnlichen Kurs zu den Rechten, obwohl die keinen Hehl daraus machen, bedingungslos auf Betonopposition zu setzen. So verärgert er die Linke, stärkt die Rechte, die sich auf seine Kosten als stark und konsequent profilieren kann und verprellt der ganzen heißen Luft ohne wirkliche Bewegung die Mitte.

     

    Wenn Obama nicht bald anfängt, kräftig gegen die Rechte auszuteilen und Worten auch Taten folgen zu lassen, dann wird er trotz günstigster Voraussetzungen ein one termer. Und das Schlimmste daran: Dank 2-Parteien-System werden dann wieder die widerlichen Republikaner am Drücker sein. Global gesehen eine Katastrophe!

  • A
    atheismusistbesser

    Für viele Einwanderer war und ist Religionsfreiheit Motivation in die USA zu immigrieren.

    Folgerichtig haben sie auch das Recht, ihre Kulthäuser, Kirchen, Synagogen und Moscheen zu errichten.

    Gegen den Bau einer Moschee am Ground Zero kann man Formal nichts einwenden.

    Ein anderer Aspekt ist die unerläßliche Sensibilität gegenüber Angehörigen und den Opfern von 9/11. Sie scheint nicht vorhanden; ein Resultat aus Unbefangenheit, Unwissen oder Kalkül?

    Ich kann mir nicht vorstellen, daß die ersten Gründe eine Rolle spielen. Sensible, kluge Köpfe gibt es im Islam ebenso wie andernorts.

    Dementsprechend kann es nur Berechnung und Provokation sein, die treibende Kräfte sind. Der Bau eines „Gotteshauses“, einer Moschee, kann so zur verwerflichen Mißachtung der Opfer, ihrer Angehörigen und sogar zur Kampfansage gegenüber der Gesellschaft werden.

    Vor diesem Hintergrund sind Entscheider in der Zwickmühle: wird der Bau der Moschee genehmigt, ist das ein Affront gegenüber den Toten und deren Angehörigen und entspricht auch nicht der allgemeinen Religionsfreiheit. Wird der Bau nicht genehmigt, sieht man sich auf Seiten der Bauherren als Opfer von Diskriminierung, wenn nicht gar Feindschaft – mit entsprechenden Folgen.