Neue Regeln für DAX-Familie: VW-Kapriolen sollen einmalig bleiben
Die deutsche Börse ändert die Regeln für die Mitgliedschaft in der DAX-Familie: Mehr Aktien müssen frei handelbar sein.
FRANKFURT/M. taz Die Kurskapriolen der Volkswagen-Aktie von Ende Oktober haben die Deutsche Börse AG in Frankfurt dazu animiert, neue Regeln für die Mitgliedschaft eines Unternehmens in ihren Indizes zu formulieren. Sie gelten ab dem 22. Dezember.
Voraussetzung für die Neuaufnahme in die DAX-Familie oder den Verbleib dort ist künftig ein Mindeststreubesitzanteil von 10 Prozent der Aktien. Bislang mussten nur 5 Prozent der Aktien auf dem freien Markt gehandelt werden können. Aktiengesellschaften, die nach dem Stichtag noch immer zu über 90 Prozent Großaktionären gehören, sollen dann binnen zwei Handelstagen aus dem jeweiligen Index herausgenommen werden. Werte im technologisch orientierten TecDAX können bei Missachtung der neuen Bestimmungen sogar sofort aus dem Index eliminiert werden.
"Diese Anhebung der Schwelle stellt eine wesentliche Maßnahme zur Sicherung von Liquidität in den Indizes dar", sagte ein Börsensprecher am Montag in Frankfurt. Denn je höher der Streubesitz sei, desto besser sei eine Aktie "handelbar".
Grund für die temporäre Kursexplosion bei der Aktie von Volkswagen war nämlich nicht nur die Quasi-Übernahme des größten europäischen Autobauers durch den prosperierenden Sportwagenhersteller Porsche AG gewesen, sondern vor allem das knappe Angebot an Volkswagen-Aktien am Markt: Allzu viele Spekulanten hatten mit Leerverkäufen auf fallende Kurse gesetzt. Das heißt, sie hatten VW-Aktien geliehen und weiterverkauft. Wenn die Aktien gefallen wären, hätten sie später die nun billigeren Papiere selbst gekauft und wieder an den Verleiher zurückgegeben. Als die Preise dann hochjazzten, begann der Run auf die wenigen auf dem Markt vorhandenen Aktien. Die Fehlspekulation hatte beispielsweise dem Unternehmer Adolf Merckle, dem unter anderem Ratiopharm und HeidelbergCement gehören, einen dreistelligen Millionenverlust eingebracht.
Die Änderung der Bedingungen ist aber auch systematisch sinnvoll. Das Gewicht eines Unternehmens an der Börse berechnet sich ohnehin schon immer nach dem Streubesitzanteil. Neu ist jetzt nur, dass auch die Gewichtung eines Unternehmens innerhalb eines Index die Zehnprozentmarke nicht übersteigen darf. Bei der Volkswagenaktie war auch das der Fall gewesen. Zweitweise betrug ihr Gewicht im DAX bis zu 30 Prozent. Mit dem neuen Instrumentarium kann die Börse AG ein Unternehmen bei einer solchen, noch nie zuvor registrierten Dominanz umgehend herausnehmen und damit verhindern, dass es plötzlich den gesamten Index nach unten zieht.
Ihre Regeln für die Indizes geändert hatte die Börse AG zuletzt im Juni 2002. Damals war die Streubesitzwertung eingeführt worden - zum Schrecken der Giganten mit ganz wenig freien Aktien im DAX. Umgehend kauften Unternehmen wie die Deutsche Telekom oder die Deutsche Post Aktien von institutionellen Anlegern zurück und verkauften sie wieder über ihre "local dealer" in den Banken und Sparkassen an Kleinanleger, um auf den vorgeschriebenen Streubesitzanteil zu kommen. Das führte dann zum - vorläufig - letzten Aktienboom in Deutschland.
Ob mit den neuen Regeln jetzt ein erneuer Run auf Wertpapiere ausgelöst wird, halten Analysten von Großbanken in Frankfurt zumindest für "fraglich". Dazu seien mittelfristig steigende und sich dann auf höherem Niveau stabilisierende Kurse nötig. An diesem Montag jedenfalls zogen die Kurse schon mal ordentlich an.
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