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Neue Reaktoren im Westen FinnlandsEon plant AKW an der Ostsee

Der Energiekonzern will an der Westküste Finnlands einen neuen Reaktor bauen. In der strukturschwachen Region droht kaum Widerstand gegen das Milliardenprojekt.

Weniger Einwohner, weniger Protest? Eon versucht ein riskantes Konzept. Bild: ap

STOCKHOLM taz | Pyhäjoki ist eine kleine Gemeinde mit 3.500 EinwohnerInnen in Westfinnland. Hier will das von Eon geführte finnische Energiekonsortium "Fennovoima" ein neues AKW bauen. Nach dem russischen AKW Kola bei Murmansk wäre dies das zweitnördlichste AKW der Welt.

Die in der vergangenen Woche gefasste Standortentscheidung ist der erste derartige Beschluss nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima. "Fennovoima" begründete die Wahl von Pyhäjoki unter anderem damit, dass dies der preisgünstigste Standort sei. Durch die Nähe zur Ostsee benötige man nur kurze Tunnel zur Kühlwasserversorgung des Reaktors. Außerdem sei die Erdbebengefahr dort geringer als an Standortalternativen.

Die Region um Pyhäjoki ist ausgesprochen strukturschwach. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 15 Prozent, die Gemeinde und ein Großteil der Bevölkerung verspricht sich vom Bau einen Wirtschaftsaufschwung und Steuereinnahmen. Bislang ist der Widerstand gegen die Atomkraft schwach, doch es gibt ihn.

Die Initiative "Pro Hanhikivi", benannt nach der Halbinsel, auf der das AKW entstehen soll, kritisiert die Standortwahl. Laut der Vorsitzenden Helena Maijala, Gemeinderätin von Pyhäjoki, verstößt der Baubeschluss von Eon und "Fennovoima" gegen nationales Naturschutzrecht und gegen EU-Direktiven zum Umweltschutz. Nachdem das höchste finnische Verwaltungsgericht entsprechende Klagen abgewiesen habe, werde man den Widerstand nun auf EU-Niveau weiterführen und unter anderem zum Boykott gegen Eon aufrufen.

Kühlwasser wird Meeresgebiet verstrahlen

Der geplante AKW-Bau im Nordteil des Bottnischen Meerbusens hatte sowohl in Finnland wie im benachbarten Schweden Proteste von Umweltschutzorganisationen geweckt. Dieser relativ flache und salzarme Teil der Ostsee gilt als eine einmalige und sehr empfindliche Naturlandschaft. Aufgrund geologischer Besonderheiten ist sie in stetiger Veränderung begriffen.

Das Kühlwasser werde dieses Meeresgebiet aufgrund zirkulierender Strömungen und geringem Wasseraustausch mit der Rest-Ostsee unnatürlich aufwärmen und zusätzlich weiter verstrahlen: Schon jetzt gilt die Ostsee aufgrund der vielen an ihren Ufern liegenden und deren Wasser nutzenden Atomkraftwerken als das radioaktivste Meer der Welt.

"Fennovoima", an der neben Eon als größtem Aktionär siebzig finnische Industrie- und Energieversorgungsunternehmen beteiligt sind, wurde bereits 2007 mit dem Ziel des Baus eines AKWs gegründet. Im vergangenen Jahr gaben Regierung und Parlament grünes Licht für einen Neubau, dem jetzt nur noch die behördlichen Genehmigungen des eigentlichen Bauantrags im Wege stehen. Als Baubeginn ist das Jahr 2014 oder 2015 avisiert, 2020 soll das Atomkraftwerk ans Netz gehen. Man rechnet mit einem Investitionsvolumen von sechs Milliarden Euro.

Im Gefolge des deutschen Atomausstiegs war auch in Finnland verstärkt die dortige Energiepolitik debattiert worden. Bis auf Grüne und Linke halten die Reichstagsparteien aber an bereits in der "Pipeline" befindlichen Plänen fest - ein weiterer Neubau soll am Standort Olkiluoto erfolgen.

Es gab Befürchtungen finnischer AKW-Befürworter, Eon könne sich zurückziehen, nachdem zwar auch andere deutsche Energiekonzerne Auslandsbeteiligungen an AKWs halten - EnBW einen 17,5-Prozent-Anteil am französischen AKW Fessenheim, RWE einen 30-prozentigen am niederländischen AKW Borssele - neu gebaute Atomstromproduktion aber offenbar als nicht profitabel einschätzen. Zuletzt hatte Vattenfall-Chef Øystein Løseth klargemacht, dass sein Konzern in AKW-Neubauten keine lohnende Investition sehe.

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19 Kommentare

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  • SE
    So etwas wollen wir nicht

    In Ihrem Artikel wird erwähnt, dass das von Eon geplante Kernkraftwerk, das zweitnördlichste AKW nach den Kola AKW bei Murmansk in Russland wäre. Es klingt, als ob "zweitnördlichste" harmloser wäre, als das nördlichste. Nur in diesem Fall ist es gerade umgekehrt. Dank der warmen Golfströhmung ist der Barenzsee dort immer eisfrei, wogegen der nördlichste Teil der Ostsee und der Botnische Meerbusen jeden Winter lückenlos vom Eis bedeckt ist. Und gerade dies bringt ein ungeahntes Risiko mit sich. Letzten Winter erreichte das von Stürmen aufgetürmte Packeis stellenweise eine Höhe von 20 Meter. Das bedeutet, dass an der schon ohnehin seichten Ufernähe, wo sich die Kühlwasserentnahme befinden soll, praktisch nur noch zusammengepresstes Eis befindet. Wir wollen nicht, dass die Verantwortlichen von Eon AG in Erklärungsnot geraten, und in den Nachrichten stottern, "an so etwas haben wir nicht gedacht".

  • E
    Eoff

    Mit diesem Horrorprojekt verfliegen Eons Hoffnungen auf ein grüneres Image.

     

    Ausstieg in Deutschland - Ausbau in der Peripherie? Soll Finnland die atomare Müllhalde und Atomstromlieferant Europas werden?

     

    Aber vielleicht wird die Atomindustrie ja noch rechtzeitig von der Energierevolution überholt - denn wie man im finnischen Olkiluoto sehen kann, ist der Bau neuer westlicher AKWs alles andere als unproblematisch. Arevas neuer EPR sollte in Olkiluoto schon seit 2009 Strom produzieren; nach der neuesten Einschätzung der Lage könnte es 2014 endlich soweit sein. Mal sehen, ob OL3 bis zum Baubeginn in Pyhäjoki am Netz hängt...

  • EM
    Earl Mobileh

    @ das_boese

     

    Du als Mitarbeiter in der Nuklearindustrie solltest doch auch wissen warum der Atomstrom sich so mords rentiert...das liegt vorallem an den ganzen direkten und indirekten Subventionen die vom Staat gewährt werden und daran, dass die Energiekonzerne die Laufzeiten der AKW's gerne mal in die Länge ziehen und an der Wartung sparen.

    Wenn die Leute die Endlagerung mal besser geregelt hätten fände ich die ganze Sache auch sympathischer...aber französischer Atommüll unter freien Himmel in Sibirien oder Salzwasser, dass sich schön langsam durch Atommüllfässer in nem Stollen frisst...sag mal sind die noch bei Trost?

    Und scheiß drauf ob das Kühlwasser verstrahlt ist oder nicht, es ist wohl definitiv wärmer als vorher und das allein ist schon schädlich genug...

    Und jetzt mal ne Idee für euch Jungs in der Nuklearindustrie...rechnet doch mal alle Kosten die ihr verursacht(Schäden an der Natur, Kosten für Transport eures Mülls, Kosten für eine vernünftige Endlagerung) bei euch mit ein...und schwuppdiwupp sollte es das gewesen sein mit dem kostengünstigen Atomstrom.

    Und ganz ehrlich...Strom ist ne super Sache, aber wir sollten mal anfangen uns Gedanken zu machen wie man ihn einsparen kann bis es ne vernünfgtige, "unerschöpfliche" Quelle dafür gibt, anstatt uns wie ein Junkie Gedanken zu machen wo und wie wir mehr von dem Zeug bekommen.

  • I
    ilmtalkelly

    @ Anonym

    Wie ist bloß das radioaktive Wasser in Fukushima ins Meer gelangt?

    Da war doch was mit Feuerwehr.Erinnerst du dich?

    Vielleicht lassen Finnen beim Unglück einfach den Kern wegschmelzen oder versteh ich da was nicht ?

    @ das boese ; @ bernd

    Das ihr im AKW arbeitet, macht euch hier mehr als befangen (existenz.begründet nicht ernst zu nehmen).

    Finnland hat die höchste Selbstmordrate in Europa und die besten Saunen.Das hat aber mit Atomkraft so wenig zu tun wie mit Pisa.

  • J
    JanG

    @Öko Fritz

    "... erneuerbaren Energien! ... Markchancen: 17% erneuerbare derzeit, Potential 83%"

     

    Hahaha, you made my day :-D

     

    Oder meinen Sie das echt ernst??? Da hab ich was für Sie:

    http://www.kerngedanken.de/2011/08/13-energiewendemaerchen-plus-zwei/

     

    Und noch ein kleiner Tip: träumen macht Spass, aber ab und an sollte man auch mal einen Blick auf die Realität werfen:

    http://www.kerngedanken.de/2011/06/man-wird-doch-mal-traeumen-durfen/

  • A
    amber

    Es ist ein Fakt, dass es durch den Atomausstieg in Deutschland jetzt mehr radioaktive Stoffe in die Luft rausgelassen wird als zuvor. Diese Stoffe kommen von der Asche der wieder zum Netz zugeschaltenen alten Kohlekraftwerke.

     

    Unglaublich aber wahr - die Strahlenbelastung der Deutschen wird auch in Zukunft weiter ansteigen durch den Zubau neuer Kohlekraftwerke.

  • H
    Hofmann,M

    Es ist gut zu wissen, dass Finnland weiter auf die Kernkraft setzt. Es ist auch gut zu wissen, dass Polen in die Kernkraft einsteigen will. Es gut zu wissen, dass Tschechien seine Kernkraft erweitern will. Es ist etwas gut zu wissen, dass Russland an der EU-Ostgrenze ein oder mehrer Kernkraftwerke errichtet. Deutschland wird in Zukunft vermehrt auf diesen Kernkraftwerksstrom aus dem Ausland angewiesen sein. Wie es Österreich seit Jahrzehnt auch schon ist. Ohne Temelin würde in Österreich das Licht ausgehen bzw. die Preise explodieren.

  • D
    das_boese

    Es hat ja schon was überhebliches, wenn die deutschen ihre Meinung über alles andere hebt. Noch zumal die Finnen in den Pisa Studien deutlich besser abschneiden. Jetzt aber mal ernsthaft: Ich arbeite auch in der Nuklearindustrie. Nach Meinung von Öko Fritz müsste ich ein schlechtes Gewissen haben. Habe ich aber nicht, da ich diese Form von Energiegewinnung für derzeit notwendig erachte, sehe sie aber auch nicht als Allheilmittel. Deshalb sehe ich mich als Ingenieur der Gegenwart. Wenn in 30 Jahren Ersatzenergieformen vorhanden sind, kann man weitersehen. Natürlich sagen die einen jetzt wieder "Die gibt es schon...", dann frage ich, warum sie noch nicht in ausreichender Form im Einsatz sind. Fakt bleibt eine fehlende Wirtschaftlichkeit.

    Die Finnen, denke ich, wissen sehr wohl was sie tun, sie haben die strengste Nuklearbehörde die man nur kennt. Entsprechend werden auch alle nur denkbaren Szenarien mit in den Bau der Kraftwerke einbezogen.

    Ich würde mich freuen, wenn die Berichterstattung wie auch die Meinungsbildung heutzutage ein wenig objektiver vorgenommen würde. Ich möchte keine Propaganda, weder in die eine, noch in die andere Richtung. Leute die Kernernergie mit "Auf dem Strich gehen" vergleichen, oder Atomkraftwerke-Quartetts für Kinder neben Quartetts über Diktatoren u. Seuchen zu stellen, finde ich geschmacklos.

  • A
    aurorua

    Wie heisst es so schön "Geld strahlt nicht"!

  • A
    Anonym

    Wie bitte soll denn das Kühlwasser das Meerwasser "verstrahlen"??? Da hat wohl jemand nicht aufgepaßt, wie ein Kraftwerk funktioniert! Nur zur Info, das Kühlwasser in einem Druckwasserreaktor hat keinen Kontakt zum Primärkreis!! Kann demzufolge auch nicht mit radioaktiven Stoffen belastet sein. Nächstes Mal erst recherchieren, dann Artikel schreiben!!

  • KF
    Öko Fritz

    @Bernd

    DU bist zu bedauern: gnadenlos dumm oder egeoistisch!

     

     

    Schicke doch Deine Frau oder Tochter auf den Strich, das bringt auch Geld... oder töte gleich Kinder und Menschen oder werde Söldner ... oder bewerbe Dich in Tschernobyl oder Fukoschima. Da fluktuieren sicher immer wieder Mitarbeiter... und der Job ist sicher...

     

    (Dies ist von mir nicht ernst gemeinst, es soll nur das engstirnige Denken von änglichen Mitarbeitern in Energiekonzernen klarmachen. Diese Angst wird von RWE & CO seit Jahren gesäat und trägt leider Früchte bei den Mitarbeitern!)

     

     

    Suche Dir einen Job mit Deiner Qualifikation bei den erneuerbaren Energien! Da machst DU was Gutes und bekommst Geld! - Markchancen: 17% erneuerbare derzeit, Potential 83%.... das wäre doch ein Argument!

    Oder helfe AKWs abzubauen...

     

    Du wärst ein "Gutmensch", kein schlechtes Gewissen mehr... und mit Job!

     

    Also denke bitte noch mal drüber nach...

     

    Zur Anregung:

    www.100-gute-gruende.de

  • B
    Bobo

    @Bernd

     

    keiner hat sie gezwungen AKW Technik als Beruf zu wählen.

    Schon in den 80ern war klar das diese Technologie Risiken hat und verschwinden wird.

     

    ...glauben Sie wirklich das Auftragseingänge Kostenreduzierung im Mitarbeiterbereich verhindert?

    Ein AKW wird EON nicht retten...

  • R
    redlin

    @ bernd

     

    Ich glaube nicht, dass Ihr persönlicher Arbeitsplatz dadurch sicherer wird, schliesslich ruiniert EON nicht nur die Reste seines angeschlagenen Rufs, sondern bindet auch erhebliche Mittel in einer falschen Investition. Sollten dort die Erträge nicht fliessen, an welcher Stelle im Unternehmen, denken Sie, wird man dann Einsparungen vornehmen? Und mal sehen, was die Enkel sagen, wenn Sie ihnen erklären müssen, dass sie keinen Fisch mehr essen dürfen, und wie das irgendwie auch mit Opis Firma zusammenhängt.

  • I
    Ilmarinen

    @sampo:

    joki=Fluss

    pyhä=heilig

    also pyhähjoki=Heiliger Fluss??

  • AJ
    Andreas J

    an Bernd,

    Sorry, aber was ist das für eine Logig? Wenn du in einem Rüstungskonzern arbeiten würdest, währe Krieg OK weil es deinen Arbeitsplatz sichert?

    Wenn an der Ostsee das Wasser durch eine Reaktorunglück konterminiert wird, kann man lange darauf warten das die Strahlung sich wie in Fukuschima durch die Strömungen verdünnt. Die Ostsee ist ein Binnenmeer und der Wasseraustausch mit der Nordsee minimal.

  • S
    sampo

    pyhäjoki = armer fluss

     

    sagt eigendlich alles.......

  • I
    ilmtalkelly

    Finnen achten traditionell wenig auf ihre Umwelt. Das kann man am Umgang mit ihrem Teil der karelischen Urwälder sehen. Die holzten den gnadenlos ab. Den russischen Teil Kareliens nehmen sich jetzt fin. Importeure vor.

    Deshalb glaube ich auch nicht an nennenswerten Gegenwind seitens fin. Atomkraftgegener.

    Aufgrund des gemeinsamen Binnenmeeres Ostsee sollten Anrainer auf EU- Ebene in Sachen Atomkraft Mitsprache bekommen.

  • KG
    Krieg gegen AKW

    Das geile ist ja: Wenn Deutschland keine AKWs mehr hat,hat es stattdessen immer gute Gründe andere Länder in der Nachbarschaft zu überfallen, weil deren AKWs Bedrohung sind.

  • B
    Bernd

    Als Eon-Mitarbeiter kann ich das Projekt nur unterstützen. Immerhin sichert es mir meinen Arbeitsplatz!