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Neue Präsidentin über Jacobs University„Profil schärfen heißt weglassen“

Die Logistik-Forscherin Katja Windt will als Präsidentin die Bremer Privat-Uni mit drastischem Personalabbau ohne Qualitätseinbußen sanieren.

87 Prozent werden in der Regelstudienzeit fertig: Absolventen der Bremer Jacobs University feiern nach US-Manier ihren Abschluss. Bild: dpa
Interview von Benno Schirrmeister

taz: Frau Windt, was hat Sie verlockt, Präsidentin der Jacobs University (JUB) zu werden?

Katja Windt: Ich war im Rahmen meiner wissenschaftlichen Arbeit sowohl in der Grundlagenforschung tätig als auch anwenderorientiert – als Beraterin von Firmen. Ich kenne beide Perspektiven und kann diese hier gut anwenden. Denn die Jacobs University ist ein Unternehmen und eine Universität zugleich.

Nur muss die Leitung jetzt vor allem sparen?

Das tun wir.

Sie haben angekündigt, Stellen zu kürzen: Sind die Voraussetzungen dafür gut, weil es nicht die gleichen Mitbestimmungsgremien gibt wie an öffentlichen Unis und der Betriebsrat nicht funktioniert?

Wir haben einen Betriebsrat.

Katja Windt

44, Professorin für Global Production Logistics, ist neue Geschäftsführerin und Präsidentin der Jacobs University of Bremen (JUB). Sie ist, seit 2011, erste Frau im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG und seit 2012 auch des Frankfurter Flughafens (Fraport).

Ist bekannt.

Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien Sie die Arbeit eines Betriebsrates beurteilen. Wir arbeiten gut zusammen. Zudem nehmen seitens der Faculty die Faculty-speaker ihre Rolle wahr: Wir versuchen gemeinsam mit den Mitarbeitern aus der Administration, dem wissenschaftlichen Personal und den Studenten den Change-Prozess zu bewerkstelligen.

Also wie bei öffentlichen Hochschulen?

Wir sind als gGmbh sicher in einer anderen Situation – auch dadurch, dass wir bis 2017 eine klare Marschroute von unserem Aufsichtsrat, in dem auch das Land Bremen vertreten ist, vorgegeben bekommen haben. Die müssen wir durch Personalreduktion, Kostenreduktion und Einnahmeerhöhung umsetzen.

Lässt sich die Personalreduktion in Stellen beziffern?

Wir haben 23 Prozent Kostenreduktion vorgesehen im Personalbereich, 13 Prozent im Sachkosten-Bereich.

Sie schließen Studiengänge?

Wir werden Studiengänge schließen. Welche, steht noch nicht fest. Wir werden eine forschungsorientierte Universität bleiben, die sich fokussiert. Fokussieren heißt: Profil schärfen. Das bedeutet auch weglassen. Darunter leidet die Qualität nicht.

Wenn sich der Betreuungsschlüssel verschlechtert, ist das keine qualitative Einbuße?

Wir wollen ganz klar auch zum Beispiel Executive-Programme erweitern und sowohl Pre-academic als auch Visiting-Programme pflegen.

Das heißt…?

Zum Beispiel Gaststudenten. Wir haben auch gerade aktuell vom Lafayette-College hier auf dem Campus Leute, die ein Semester bleiben: Das sind also Studierende, die im Rahmen eines Visiting-Programms befristet hierher kommen, um zu studieren.

Das spart 23 Prozent Personalkosten ohne Verschlechterung des Betreuungsschlüssels?!

Nein. Er wird sich verschlechtern, aber nicht so, dass die Qualität leidet. Wir sind da weit von einer Schmerzgrenze entfernt.

Von einem Zehn-zu-eins-Betreuungsverhältnis ist es weit zu überfüllten Seminaren…

Die wird es auch in Zukunft hier nicht geben. Ich bin auch überzeugt, dass wir weiterhin Studierende herholen, die es sich eigentlich nicht leisten können, bei uns zu sein, indem wir ihnen Zugang zu Finanzierungsmodellen verschaffen.

Ließe sich das nicht effizienter durch Austauschprogramme staatlicher Unis hinkriegen?

Bei uns schaffen 87 Prozent derer, die hier anfangen zu studieren, den Abschluss in der Regelstudienzeit. Auch bei den ausländischen Studierenden ist das so. Ein Studienplatz an einer staatlichen Universität kostet auch Geld.

Das wäre aber auch ein echt makabrer Witz, wenn nach Ihrer Vorauswahl die Elite-Studierenden auch noch deutlich länger bräuchten…

Ich will mich gar nicht vergleichen mit der staatlichen Universität. Worum es mir geht: Ich will deutlich machen, dass wir hier einen Beitrag leisten zur Wissenschaftslandschaft in Bremen – und darüber hinaus. Wir können hier Dinge ausprobieren, weil wir initiativer und schneller sind als andere, weil wir andere Erfahrungen machen können.

Bleibt aber nicht das Hauptproblem die schmerzhafte Erfahrung, dass die private University so abhängig vom Staat ist?

In unserem Haushalt stammen sechs Prozent der Mittel aus öffentlicher Hand. Da ist, glaube ich, nicht unbedingt von einer Abhängigkeit zu sprechen.

Dann hätte Bremen vergangenen Sommer den 50 Millionen Euro-Kredit zurückfordern können? Und die Gebäude sind Ihnen so zugewachsen?

Natürlich haben wir hier eine Anschub-Finanzierung bekommen, dafür sind wir dankbar. Und natürlich gibt es diesen Kredit. Den tilgen wir, einschließlich der Zinsen. Aber: Wenn man alle Mittel zusammenrechnet, die wir von Bremen bekommen haben, so hat die Jacobs University doch bis heute beinahe das Dreifache in die Stadt hereingeholt – durch Research-Grants, durch die Gelder der Jacobs Foundation und Fund-Raising.

Der Rechtfertigungsdruck entsteht ja, weil vermutlich im öffentlichen System mit dem gleichen Aufwand mehr Studien- und mehr Arbeitsplätze zu schaffen gewesen wären.

Das bezweifle ich. Wir haben doch als private gGmbH viel stärker die Möglichkeit ins Fundraising-Thema einzusteigen.

…sehr zum Leidwesen der Uni Bremen, mit der Sie im selben Teich fischen: Ist die Zahl der Wissenschaftssponsoren im kleinen Bremen nicht zu niedrig für zwei Volluniversitäten?

Ich sehe uns da überhaupt nicht in Konkurrenz. Wir haben ja auch gemeinsame Projekte. Zudem akquirieren wir als internationale Einrichtung weltweit.

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8 Kommentare

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  • P
    Paulus

    Als jemand der selbst bei einer privaten Bildungseinrichtung mit Masterstudiengängen gearbeitet hat, wundert es mich immer wieder, dass Sätze wie "Bei uns schaffen 87 Prozent derer, die hier anfangen zu studieren, den Abschluss in der Regelstudienzeit." nicht stutzig machen. Wenn an einer Hochschule über 90% der Studierenden den Abschluss schaffen, hat das nicht unbedingt mit der besseren Betreuung zu tun. Sondern damit dass u.a. das Niveau geringer ist.

  • W
    Wirklich?

    Diese Privatschule geht pleite oder der Staat muss sie retten.

  • TR
    Trügen Rittin

    für das Pleiteland Bremen mit seiner Quatsch-Uni ist eine private Universität sicher ein Segen.Es ist allerdings zu früh, um hier schon eine Bilanz zu ziehen.

  • Der Fragesteller vermutet, das "im öffentlichen System mit dem gleichen Aufwand mehr Studien- und mehr Arbeitsplätze zu schaffen gewesen wären." Für die produzierten Absolventen habe ich mal die aktuellen Zahlen berechnet:

     

    Uni Bremen:

    Zuschuss Land Bremen pro Jahr 136 Mio. EUR

    Absolventen 2012: 3305

     

    Jacobs University:

    Zuschuss Land Bremen pro Jahr 3 Mio.

    Absolventen 2012: 276

     

    Das heißt für jeden produzierten Absolventen an der Uni Bremen 41.000 EUR vom Land, für die von der Jacobs Uni 11.000 EUR vom Land.

     

    Alle Zahlen ohne Promotionen. Mit Promotionen steht 37.400 zu 8.500.

     

    Wenn es wirklich klappt ganz ohne Staatszuschüsse, dann sinkt natürlich der Jacobs Anteil auf 0, aber schon mit aktuellem Zuschuss, produziert das Land Bremen Absolventen an der Jacobs Uni vier mal günstiger als an der staatlichen Uni.

    • S
      spassvogel
      @Jan Lorenz:

      "Produzieren" dürfte das, was einstmals "akademische Ausbildung" hieß, inzwischen sehr treffend bezeichnen. So gut, daß sich nicht mal mehr die Hochschulen selbst daran stören.

       

      Für BWL-Denke (und wer kann heute überhaupt noch anders denken?) besteht die ganze Welt nur aus Zahlen in Excel-Tabellen. Ist es nicht schön, wenn die ganze Welt so einfach gestrickt ist?!

    • @Jan Lorenz:

      Kann man die Absolventenzahlen irgendwo auch nachlesen, insb. mit Trennung von Bachelor- und Masterabsolventen?

       

      Ansonsten: Es ist schon verwunderlich -- selbst wenn die Zahlen stimmen --, daß ein Privatunternehmen entsprechend 11k Euro pro Absolvent erhält. Zwar scheint die JU zumindest ein paar naturwissenschaftliche Fächer zu haben, aber das meiste ist (wie so typisch an Privathochschulen) eher Kreidephysik, KuWi und Management. Medizin und Maschinenbau sucht man vergeblich.

       

      (Ganz zu schweigen davon, daß diese Privathochschule entsprechend hohe Studiengebühren hat und die Uni Bremen Menschen zu einem Akademiker ausbilden kann, die es nicht können, wenn es nur Privathochschulen dieser Art gäbe.)

  • D
    desillusionist

    Auch die Bildungs-Blase platzt irgendwann. Studienfächer, deren Absolventen niemand braucht, Dozenten, deren Wissen niemand braucht.

     

    Aber Deutschland braucht mehr Akademiker, quengelt die OECD.

  • RS
    Robert S.

    Frau Windt scheint ihr Fach zu verstehen. Sie hat den phrasigen und ideologisch belasteten Frage ganz ausgezeichnete Antworten entgegengesetzt. Ich drücke dieser wunderbaren Einrichtung Jacobs Uni die Daumen und gratuliere ihr zu dieser neuen Präsidentin. Der alte ist zu recht gegangen. Alles Gute, Bildungszukunft!