Neue Platten : Die Wunder der Physik: Masse und Macht machen Räume hörbar, Anton Bruckner muss dafür herhalten
Voraussetzungsloses Hören gibt es schon mal gar nicht. Immer sind unsere Ohren bereits formatiert (die Festplatte: dass Informationen überhaupt verarbeitet werden können). Manchmal scheint dann die Musik selbst der Überschuss, die Zugabe, die doch wieder als Erstes gehört wird. Musik. Hier „Music made from other music“, eine neue CD der Masse und Macht-Gruppe (Christian von Borries und Martin Hossbach), deren Projekte stets Versuchsanordnungen sind, deren Regeln mitbedacht, mitgehört werden wollen: das theoretische Vorspiel als erklärendes, spiegelndes, manchmal distanzierendes Echo zur Musik, die bei diesem Beispiel – mal ganz einfach gehört – ein mehrfach zerschnittener und collagierter Bruckner ist. Fragmente aus dem Finale seiner 9. Sinfonie. Gemessenes Pathos. Etappen zwischen fröhlichem Springinsfeld und sehnsüchtigem Fieber. Und ein verröchelnder Bruckner, die orchestralen Motive ausbleichend, bis sie nur mehr wie das Pfeifen des Windes im Kaminschacht klingen. Bruckner: mal weniger durchgeistigt, eher geisterhaft. Was sich konsequent aus der Versuchsanordnung, nach einer Idee des Klangkünstlers Alvin Lucier ergibt. Die Orchesteraufnahme wurde vom Tonband immer wieder in einen Raum zurückgespielt, bis dessen Resonanzschwingungen sich selbst so verstärken, dass zuletzt nur mehr die natürlichen Resonanzschwingungen ebendieses Raumes hörbar sind. Zum Beispiel ist das hier die Staatsbank selig. Angewandte Physik. Man „hört“ also den Raum, und eigentlich hört man doch die Auflösung von Musik, alles Feste zerrinnt. Nebenher ist „Music made from other music“ auch eine schöne Erweiterung von Minimalmusic und wieder einmal einfach eine spannend organisierte Strecke Zeit. Dazu gibt es einen seltsamen Hiddentrack-Bonus. Die Auflage limitiert auf 500 Stück. Zu haben für 10 Euro. TM