piwik no script img

Neue Pläne für das RathausforumFreifläche wird dichtgemacht

Der Senat will das Rathausforum bebauen. Der unbebaute Raum rund um den Neptunbrunnen hat "keine Zukunft" mehr.

Das Grünzeug da, rechts am Rand, das muss auch weg. Bild: dpa

Werden sich der Bronzegott Neptun, seine Nixen und Fische samt Brunnen bald nach einem alternativen Standort umsehen müssen? Gut möglich, dass das passiert.

Der SPD-CDU-Senat will noch im laufenden Jahr einen städtebaulichen Wettbewerb für das sogenannte Rathausforum in Mitte anschieben. Für das große Areal zwischen Rotem Rathaus und Marienkirche, Fernsehturm und Spree ist geplant, eine Umgestaltung der Freifläche hin zu einer Bebauung vorzunehmen. Dieser könnte auch der Brunnen im Weg stehen.

Für die Neugestaltung plädierten Spitzenpolitiker von SPD und CDU am Montag auf der Sitzung des Kulturausschusses im Abgeordnetenhaus. Und damit nicht genug: Auch über eine neue Planung für das Umfeld des Petriplatzes an der Breiten Straße - des "Gründungsorts Berlins" - wolle man nachdenken, hieß es. Das vorgesehene Besucherzentrum für die archäologischen Funde dort bleibt hingegen vorerst in der Schublade.

Nach Ansicht von Ephraim Gothe (SPD), neuer Staatssekretär für Stadtentwicklung, wolle der jetzige Senat die Revision des bisherigen Leitbildes für Stadtentwicklung - das "Planwerk Innenstadt" von 1999 - rund um das Rathausforum in Angriff nehmen. Während in den Koalitionsvereinbarungen von Rot-Rot "noch vom Erhalt der Freifläche die Rede war", so Gothe, habe die neue Koalition die Absicht, eine neue Planung und die Mischung aus "Freifläche und Bebauung" zu entwickeln.

Wie die Räume und Architekturen dort einmal aussehen könnten, ließ Gothe offen. Darüber werde seine Senatsverwaltung einen "breiten Dialog in der Stadt führen." Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war das heutige Rathausforum dicht bebaut.

Auch SPD-Kulturstaatssekretär André Schmitz sprach sich für eine klare Neuorientierung vor dem Roten Rathaus aus. "Denkverbote" à la Planwerk Innenstadt dürfe es nicht mehr geben. Der historische Stadtraum bedürfe der "urbanen Rückgewinnung". Für die Freifläche "gibt es keine Zukunft", sagte er. Ebenfalls Unterstützung signalisierte Michael Braun: Der CDU-Kurzzeitsenator wandte sich auch gegen den "indiskutablen Zustand" unterm Fernsehturm.

Sprecher der Linken sowie Grüne hielten der Koalition vor, kein klares Konzept für das Rathausforum zu besitzen, obwohl über das Thema historische Mitte "schon jahrelang debattiert worden" sei. Antje Kapek, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, warf dem Senat "einen chaotischen Umgang mit der Stadtentwicklung" vor. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, die das Planwerk und die Freifläche bisher verteidigt hatte, war gestern nicht erreichbar.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

11 Kommentare

 / 
  • O
    ole

    Mich würde wirklich einmal interessieren, weshalb es immer noch Leute gibt, die Berlin "politisch" bebauen möchten. Ich dachte eigentlich, daß sich im Deutschland von 2012 eine solch dümmlich-demagogische Denkweise à la Rammsauer längst von selbst entsorgt hätte.

     

    Wer hier von klaffenden Wunden und Anklagen redet, sollte mir doch bitte meine alte Friedrichstadt und mein Cölln wieder zurück(auf)bauen. Da werden sich manche Leute wundern, was alles vom "historischen Berlin" in der heutigen Vorstellung verschwindet...

     

    Und der sollte mir mein historisches Berlin ohne die noch vorhandenen Bauwerke der Nazi-Architektur inklusive der "nationalsozialistischen Sichtachsen" des Reichssportfeldes und ohne die autofreundlich-hübsche Nachkriegsbebauung wieder hinstellen.

    Dann kommen wir aus den Bautätigkeiten in den nächsten 1000 Jahren nicht mehr heraus.

     

    Und nein, ein gebäudefreier Platz muß nicht zwingend bebaut werden. Er muß sinnvoll und bezogen auf die Anliegen der Bewohner der Stadt gestaltet werden. Wenn Gebäude dazu gehören, dann ist das okay, jedoch nicht immanent.

    NYC kommt ja uch nicht auf die Idee, den Central Park zu bebauen, weil einige diesen eventuell als Freifläche betrachten.

     

    Ich denke, hier ist Kreativität gefragt. Und man kann nur hoffen, daß sich die Beführworter der Mainstream- und ShoppingMall Architektur nicht durchsetzen.

  • S
    Stefan

    Wird wieder das übliche bei raus kommen, kennt man ja: zeitgeistiger architektonischer Mainstream über den man sich schon in wenigen Jahren mindestens wundern, für den man sich wahrscheinlich jedoch sogar schämen wird. Irgendwelche kapitalistischen und touristischen Nutzungsfantasien dazu ein paar Penthouse-Appartements für Lobbyisten und "absentee landlords". Dann noch ein bisschen aus dem Stadtbild gelöschte Geschichte, Stein gewordenes historisches Siegertum, das die Verlangweiligung und Standardisierung der Stadt nach sich zieht... alles wie gehabt.

  • Y
    yberg

    stadt funktioniert also nur in konzentrierter baulicher dichte.

     

    AHA...

     

    erzähl das mal in hannover,und andern großstädtischen dörfern

     

    und warum berühmt sich berlin im vergleich mit anderen europäischen hauptstadten der meisten grünflächen.

     

    konzentrierte dichte mag für gewinnmaximierung und effiziente und optimierte wirtschaftsabläufe gut sein

    aber wird stadt nur für den markt oder vllt auch für menschen gestaltet.

     

    am besten SPD/CDU stellen townhäuser hin ,dann ham se die von ihnen am meisten hofierte exzellenzen und eliten ,wenn se aus dem rathaus fallen,vor der nase

  • K
    Klaus

    Eine Bebauung dieser Freifläche ist selbstverständlich sehr sinnvoll. Wir leben schließlich in einer Stadt und die existiert nur mit konzentrierter baulicher Dichte. Die Beschwerde über "Beton" ist dümmlich. Sie zeigt, dass die Kläger ein paar Jahrzehnte Baukunst verschlafen haben. Wahrscheinlich ist diesen ungebildeten Spießern z.B. jeder Corbusier ein Schrecken, vielleicht sagt ihnen der Name schon nichts. Fast jedes Haus wird mit Beton gebaut. Manchmal sieht man es ihm an und meistens nicht. Ein Kriterium für gutes und schönes Bauen ist die Verwendung dieses Baustoffes keinesfalls. Aber gerade mit Sichtbeton, also tatsächlich sichtbarem Beton, lässt sich sehr schön bauen.

  • W
    Weinberg

    Das von SPD und CDU ins Auge gefasste Immobilienprojekt Rathausforum wird die Immobilienspekulanten freuen. Schließlich haben diese ehrbaren (?) Kaufleute ein Recht darauf, „etwas“ Handfestes für ihre Wahlkampfspenden, die sie den beiden „Volksparteien“ haben zukommen lassen, als Gegenleistung zu bekommen.

     

    An diesem Projekt zeigt sich wieder einmal, dass die SPD stets LINKS blinkt – um dann aber ganz schnell nach RECHTS abzubiegen.

     

    Die BerlinerInnen werden nach ihrem Erwachen aus ihrem Dornröschenschlaf feststellen, dass es sich bei dem Projekt letztlich um städtebaulichen Nonsens handelt.

  • L
    Lincoln

    Die "Freiflächen" ist ein Resultat der sog. "sozialistischen Sichtachse" für die die Gründungsstadtviertel, also die historische Struktur Berlins zerstört wurden. Es sind mehr als nur Wunden in der Stadt, es sind Anklagen.

    Es gab im Tagesspiegel 2010 einen guten Artikel http://www.tagesspiegel.de/kultur/plaedoyer-fuer-eine-neue-hauptstadt-mitte-mehr-berlin-wagen/2011394.html mit Fotostrecken für die "Neubebauung der historischen Mitte. Doch ROT-ROT hat sich darum gar nicht gekümmert, bzw wegen fehlender Gelder eine etwa um den Faktor 10 höheren Förderbetrag einfach nicht wahrgenommen http://www.tagesspiegel.de/berlin/knapp-bei-kasse-rot-rot-begraebt-plaene-fuer-die-historische-mitte/4577904.html .

    Ich bin sehr dafür, dass die klaffende Wunde endlich geschlossen wird, jedoch nicht mit Betonarchitektur, sondern anspruchsvoll!

  • S
    Suryo

    Oh oh, die "Freifläche" wird "dichtgemacht"! Das klingt natürlich wieder ganz nach Verdrängung, nach eiskalter Zerstörung von Freiräumen...ja, wer kennt sie nicht, diese große Freiheit, dieser wunderbare Platz im Herzen Berlins, der so wichtig ist für das Selbstverständnis dieser Stadt und ihrer Bürger!

     

    Gimme a break, taz! Nächstes Mal vielleicht ein Tick weniger tendenziös. Dieser "Platz", der gar keiner ist, ist nun wirklich kein besonders schützenswertes Idyll. Und der Neptunbrunnen stand früher ohnehin gar nicht dort.

  • F
    fhainer

    Sag noch mal einer, dieser Senat hätte kein Programm. Er hat eines: Beton, Beton und nochmals Beton. Mal sehen, wann über die schöne große Freifläche in Tempelhof nochmal "nachgedacht" wird.

  • O
    Oliver

    Klar, so eine Freifläche muss natürlich weg. Wer käme auf die Idee, dass man mitten in einer touristischen Gegend voller Kaufhäuser, Kinos, Restaurants und Museen einen Brunnen, Bäume und somit kleine Ruhezone gebrauchen könnte.

     

    Nur so eine Idee: Liebe Politiker, fragt doch mal die Bürger, in welcher Stadt sie leben möchten, anstatt aus wirtschaftlichen Interessen alles mit seelenlosem Pomp zuzubauen. Ich würde ja eher die Gebäudekette gegenüber der Kirche abreisen, als da neue Gebäude hinzubauen. Aber vermutlich hätten unsere Politiker den Londoner Hyde Park schon zugebaut. Ist ja auch so eine unnütze Freifläche, die niemand braucht.

  • C
    Copieur

    Das tolle Wahlplakat der Bergpartei zeigte ein Bild des Gesichts der ehem. Bausenatorin, mit dem Vermerk: "Beton hat ein Gesicht".

     

    Total passend.

     

    In der Strasse hinter dem Rathaus eine quasi-Stadtautobahn, Garagen, usw.

     

    Vor dem Rathaus demnächst dasselbe, mit einem 08/15 Einkaufszentrum mit Tiefgarage und alles dazu...

  • T
    tageslicht

    Die Taz, Bürger und Politiker sind die letzten 10 Jahre nicht müde geworden, die Arbeit von Rot-Rot zu kritisieren.

     

    Dass es noch viel schlimmer werden kann, beweist uns Rot-Schwarz jeden Tag aufs Neue, auch dank der Taz und Autoren wie Rada und Co.

     

    Es ist eigentlich schon zu traurig, um sich darüber noch aufzuregen.