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Neue Gewaltwelle in KeniaOppositionspolitiker erschossen

Nach dem Mord brechen neue Unruhen in Nairobi aus. Die politischen Widersacher treffen wieder zu Gesprächen zusammen - dank der Vermittlung von Kofi Annan.

Annan will ein Ende der Gewalt in Kenia. Doch das ist derzeit nicht in Sicht. Bild: dpa

NAIROBI taz Mugabe Were hatte es geschafft: Bei der Parlamentswahl am 27. Dezember holte er im Wahlkreis Embakasi, zu dem einige der schlimmsten Slums von Kenias Hauptstadt Nairobi gehören, ein Direktmandat für die Orange Democratic Movement von Oppositionsführer Raila Odinga. Einen Monat nach seinem Erfolg wurde der Politiker ermordet: Unbekannte erschossen ihn kurz vor Mitternacht, als er in sein Haus nicht weit vom Kibera-Slum entfernt zurückkehrte. Die Polizei erklärte am Dienstag, es handele sich vermutlich um einen Kriminalfall ohne politischen Hintergrund und nahm drei Verdächtige fest.

Doch da hatten gewalttätige Proteste von Oppositionsanhängern Nairobi bereits fest im Griff. "Wir vermuten, dass unsere Gegner mit dem Mord zu tun haben", sagte Odinga, der den Wahlsieg für sich reklamiert. "Wir hoffen, dass es vernünftige Ermittlungen geben wird, aber wie man sehen kann, befindet sich Kenia auf dem Weg in die Anarchie."

In Kibera wurden mindestens vier Menschen mit Macheten in Stücke gehackt, auch aus anderen Slums und dem Industriegebiet unweit der Innenstadt wurden Ausschreitungen gemeldet.

Weres Tod warf einen düsteren Schatten auf die Verhandlungen, bei denen Odinga und der umstrittene Präsident Mwai Kibaki zum zweiten Mal zusammentrafen. Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte ihnen zuvor ein Dokument zugesandt, das die Grundlage für Verhandlungen bilden soll. Medienberichten zufolge sollen beide Seiten sich darin verpflichten, das Ergebnis der Mediation bedingungslos anzuerkennen. Annan und seine Kollegen, Tansanias früherer Präsident Benjamin Mkapa und Nelson Mandelas Frau Graça Machel, sollen als einzige Vermittler akzeptiert werden. Jede Seite soll drei Personen bestimmen, die die Verhandlungen führen dürfen. Inhaltlich will Annan ein Ende der Gewalt erreichen. Erst danach soll über einen Kompromiss in der Frage der umstrittenen Präsidentenwahl entschieden werden.

Thematisiert werden soll zudem die Ungleichverteilung von Reichtum im Land und Verfassungsänderungen, die den Landbesitz neu regeln sollen. Der Streit über Land ist einer der Hauptgründe für die Kämpfe im Rift Valley, wo ethnische Gangs am Dienstag ihre Kämpfe fortsetzten. Hubschrauber des kenianischen Militärs zogen in Naivasha über gut 600 Kikuyu-Milizen hinweg und trieben sie mit Tränengas und Gummigeschossen auseinander. Die Milizen, die derselben Volksgruppe wie Kenias umstrittener Präsident Kibaki angehören, hatten zuvor versucht, den Abtransport von 300 vertriebenen Luo auf Lastwagen der Polizei zu verhindern.

Oppositionschef Odinga ist Luo. Im Wahlkampf hatten Politiker beider Seiten die Volksgruppen gegeneinander aufgehetzt. Obwohl Belege für eine zentrale Organisation der Hetzjagden fehlen, sprach Großbritanniens Afrikaminister Mark Malloch Brown bei einem Keniabesuch von Warnzeichen. Es gebe lenkende Hände im Hintergrund.

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1 Kommentar

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  • GH
    Günter Hillemann-Rohr

    Die Krise seit dem Wahlbetrug in Kenia eskaliert, war vorhersehbar und wurde in der Presse sofort formuliert. Die Demokratiebewegung in Kenia hat am Tag nach dem zivilen Putsch durch Kibaki öffentlich vor Folgen gewarnt, die keiner wünschen könne, aber unaufhaltbar seien, wenn der Wahlbetrüger Kibaki im Amt bliebe.

    In der dt. Presse wird das Thema marginalisiert, wenn immer nur Bilder aufflammender Gewalt gezeigt werden, ohne über die berechtigen Vorwürfe der Opposition aufzuklären. Es geht nicht um Unregelmäßigkeiten, sondern um Staatsstreich, die widerrechtliche Machtokkupation, weil die demokratische Legitimation fehlte: Mit Zensur und Polizei, Propaganda und Ethnizismus. Nicht die beunruhigten Bürger sind die Unruhestifter, sondern die kriminellen Wahlfälscher, die Diplomaten, die mit ihrer Verhandlungstaktik die gewaltsamen Machthaber stützen und die Machtlosen im Stich lassen, ruhig stellen wollen, und damit Tag für Tag mehr im latenten Machtvakuum aufpeitschen und marodierenden Banden überlassen. Das ist ein Paradebeispiel geschmackloseer Strukturgewalt von Politik und Medien wie aus Maschinenpistolen gefeuert.

    Wenn also 'unsere' Interessen nicht sofort in Gefahr geraten wie zeitgleich in Pakistan, wird aus der 'Kultur des Hinsehens' eine Fratze des Wegsehens. War diese in die Kamera gelächelte Formel der Kanzlerin in der Neujahrsansprache nur der Schwips einer Sektlaune?

    Die Bundesregierung hüllt sich weitgehend in Schweigen und versteckt sich in diplomatischen Formeln hinter den großen Partnern. Es ist beschämend, wie schwer es der dt. Politik fällt, den Staatsstreich Kibakis laut und deutlich zu brandmarken und die Forderungen nach Rücktritt des Scheinpräsidenten und Neuwahlen zu unterstützen.

    Nur die Ablehnung der Herrschaft des Wahlbetrügers hätte den Ausbruch der Unruhen behindert, nur diese kann sie jetzt eindämmen, es sei denn, die Bundesregierung will das Gegenteil oder ihr ist's 'wurscht'. Vor Reisen nach Kenia wird weiter dringend abgeraten...

    Zur gepflegten Kultur der Bundeskanzlerin gehört eher die Tradition des Vergessens. Was hätte es denn der Demokratiebewegung in der DDR geholfen, falls Helmut Kohl damals empfohlen hätte, sich der Staatsgewalt zu fügen und friedlich mit Honecker zu einigen? Ruhe und Ordnung statt Protest für Demokratie?

    Der Kanzlerin neue Kleider sind längst durchsichtig: Ihr Engagment für eine 'Kultur des Hinsehens' erstarrt zur Fratze des Zuschauens, war nur die Pointe einer Büttenrede in der (Vor-) Faschingszeit. Da dürfen's die Jecken eben noch doller treiben und sagen, woran sich ohnehin niemand hält. Rio I. würde die diesjährige Faschingsprinzessin wohl Angela nennen. Also Angela I., ein dreifach christliches Helau!!!