Neue E-Books bei Unglue.it: Die Rechtebefreier machen weiter
Unglue.it sichert sich die Rechte von zwei weiteren Büchern. Die Website will bald das Werk einer American-Book-Award-Preisträgerin „befreien“.
Auf den lange erhofften zweiten folgte prompt der dritte Schritt. Die Bücherbefreier von „unglue.it“ sind ihrem Traum, die Welt mit kostenlosen, teilbaren E-Books zu bevölkern, ein kleines bisschen näher gekommen: Im Dezember wurden zwei neue Bücher von der Leserschaft „freigekauft“ und erscheinen nun unter einer Creative-Commons-Lizenz als E-Books. Als Nächstes soll ein Preisträger des American Book Awards befreit werden.
Unglue.it „befreit“ Bücher nach einem einfachen Prinzip. Rechteinhaber von Werken, die nicht mehr produziert werden, legen einen Betrag fest, für den sie ihr Buch unter einer CC-Lizenz veröffentlichen würden. Leser und Unterstützer spenden Geld und erhalten im Gegenzug kleine Geschenke wie einen signierten Druck, eine Dankeskarte oder einen Brief. Ist der Zielbetrag erreicht, erscheint das Buch als digitale Ausgabe, kostenlos und ohne Verbreitungsschranken darf es kopiert, gedruckt und verschenkt werden.
So wie nun die Science-Fiction-Satire „The Third Awakening“ des bislang eher unauffälligen Autors Dennis Weiser. 750 Dollar erhielt er von der Lesergemeinde, seit Dezember ist sein Werk als E-Book erhältlich. Lauren Pressley konnte für ihr Sachbuch „So You Want To Be a Librarian“ fast 2800 Dollar sammeln, eine digitale Version soll demnächst bereitstehen.
Insgesamt drei Bücher – Nischenprojekte abseits des Mainstreams – sind es nun, die seit dem Start der Plattform vor acht Monaten der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurden. Das mag wenig erscheinen angesichts der Masse an Projekten, die täglich über Crowdfunding-Websites finanziert werden, aber hinter Unglue.it verbirgt sich eine Idee, die das Korsett, in dem digitale Bücher bislang stecken, lockern könnte. Unglue.it präsentiert eine neue, dynamische Art des Umgangs mit digitaler Literatur.
Nur Lesen ist erlaubt
Die klassische Verwendung eines E-Books ist an strikte Rechtsvorschriften gekoppelt: Anders als beim Kauf eines Buches erwirbt der Käufer eines E-Books kein Eigentum, sondern nur eine Nutzungslizenz. Er darf das Buch auf seinem E-Reader lesen, nicht aber drucken, kopieren, verschenken oder weiterverkaufen.
Kopierschutzmechanismen der Digitalen Rechteverwaltung (DRM) verhindern Verbreitungen und sollen Urheberrechte schützen, erweisen sich in vielen Fällen jedoch oft als Ärgernis. Ein E-Book auf einen anderen Reader zu überspielen erweist sich mit legalen Mitteln als unmöglich, ein Werk verleihen oder teilen kann nur, wer sich in der Zeit auch von allen anderen Texten auf Kindle, Kobo oder oyo trennen kann.
Diese Strukturen will Unglue.it seit Mai 2012 aufbrechen. Viele große literarische Werke, an denen keine Urheberrechtsansprüche mehr bestehen, sind //www.gutenberg.org/:online bereits verfügbar. Ziel der Bücherbefreier ist es, dasselbe mit moderner Literatur zu machen – und Rechteinhaber angemessen zu entlohnen.
Dabei sah es lange so aus, als wäre der Traum von vornherein zum Scheitern verurteilt. Im August wurde das erste Buch befreit, weitere Ambitionen fielen jedoch einem technischen Problem zum Opfer: Amazon Payments, den die Website für ihre Zahlungsabwicklungen nutzte, verweigerte die weitere Zusammenarbeit.
„Neues Verständnis“
Mittlerweile ist ein neuer Bezahlanbieter gefunden und langsam, Schritt für Schritt, Buch für Buch, soll es weitergehen. „Wir haben gemerkt, dass das, was wir mit eurer Hilfe machen wollen, nur sehr, sehr schwer zu erreichen ist“, heißt es auf dem Blog der Website. „Unsere Aufgabe ist es, ein neues Verständnis zu schaffen von dem, was Bücher sein können.“
Wertvolle Kollektivgüter, Erinnerungen, Herzensangelegenheiten, die man mit der Welt teilen möchte. Und die mitunter preisgekrönt sind. „Love Like Gumbo“ soll als nächstes Buch befreit werden. Es erzählt die Geschichte einer afro-amerikanischen, lesbischen jungen Frau in Los Angeles und die schwierige Beziehung zu ihrer liebenden, aber vor allem einengenden Familie aus den amerikanischen Südstaaten.
Die Autorin Nancy Rawles, die 1998 den American Book Award für ihr Werk erhielt, ließ sich sofort vom Enthusiasmus der Bücherbefreier anstecken: „Unglue.it ist eine kleine Revolution. Vielleicht wird es keinen langfristigen Einfluss haben, wenn man nur ein Buch nach dem anderen befreit – aber es gibt neue, wichtige Denkanstöße und bringt Schriftsteller und Verlage dazu umzudenken, und Bibliotheken und Lesern E-Books weiträumig zur Verfügung zu stellen.“ Glückt die Finanzierung, werden die Bücherbefreier einen weiteren Schritt in Richtung ihres fernen Traums getan haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!