village voice: Neue Alben von Herrn Krohn und Desmond Q. Hirnch
Traurigkeit de Luxe
Der Mann ist ein hoffnungsloser Fall. Seit Jahren spielt Alexander Krohn nun schon seine todtraurigen Lieder. Zuerst mit seiner Band Britannia Theatre, dann als A. Krohn, mal solo, mal im Verbund mit Two Horsemen, mal mit Four Horsemen. Aber egal in welcher Besetzung, immerzu möchte man mitweinen – weil seine Songs so traurig sind. Und weil er niemals Erfolg damit haben wird. Seine Musik zwischen Country und Depression, hat Krohn mal selbst festgestellt, liege momentan nicht im Trend. Dieser Moment zieht sich weiter zäh dahin – so wie auch mancher Gitarrenton auf „Padded Wagon“, dem Debüt von Majong, der neuesten Inkarnation von Krohn. Am eindrücklichsten sind die Songs geraten, in denen Stimme und Instrumentierung aufs Allernötigste reduziert werden, in denen jeder Griffwechsel zu hören ist, jedes Schaben auf dem Gitarrenhals, jedes kleine Zittern der Stimmbänder. Da muss man gar nicht verstehen, worüber Krohn singt, man hört es auch so schon sehr gut: Liebe ist in diesem kleinen Kosmos stets sauer, die Stimmung bitter, die Perspektiven sind ungewiss.
Musikalisch hat sich Krohn entwickelt: Aus dem unausgegorenen Stilmischmasch von Britannia Theatre ist längst ein kongruentes, sich seiner selbst sehr sicheres Alternative-Country-Konzentrat geworden. Krohn hat sich spätestens mit Majong als Meister der Melancholie etabliert, als Titan der Tristesse, als Prophet der Niedergeschlagenheit. „Padded Wagon“ ist ein Meisterwerk, ein Trostpflaster für alle verlorenen Seelen – nur wird das leider wieder kaum jemanden interessieren.
Solcherart Ignoranz kennen auch Desmond Q. Hirnch. Nachdem ihre letzte Platte, „Music“, vor drei Jahren fürchterlich floppte, weil niemand so recht den allzu verästelten Windungen ihres wahnwitzigen Art-Rocks folgen wollte, mussten sie ihr aktuelles Werk, „La voix de la révolution“, nun selbst herausbringen. Ein Treppenwitz der Bandgeschichte, dass Desmond Q. Hirnch ausgerechnet für ihr bislang kommerziellstes Produkt keine Plattenfirma fanden: „La voix de la révolution“ ist nicht zu vergleichen mit früheren Platten der Potsdamer. Erstmals arbeiten sie mit Elektronik, erstmals verzichten sie auf anstrengende Rhythmuswechsel, absurde Akkordfolgen und was sich damals sonst noch finden ließ im Katalog für angehende Avantgardisten.
Heute klingen sie stattdessen wundervoll entspannt und friedlich, im besten Sinne wie eine Sound-Tapete. Die ist atmosphärisch, stilsicher und relaxt, hin und wieder sogar jazzig. Einen Fehler aber hat diese Platte: Desmond Q. Hirnch heißen immer noch Desmond Q. Hirnch. Schon früher war der beim Scrabbeln entstandene Name eher peinlich, nun ist er auch noch unpassend und weckt vollkommen falsche Erwartungen. THOMAS WINKLER
Majong: „Padded Wagon“ (Destillery). Live, heute, 22 Uhr, Trompete, Lützowplatz 9, Tiergarten; Desmond Q. Hirnch: „La voix de la révolution“ (Selbstverlag, Kontakt: info@amadis.net)
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