Neuanfang in Island: "Heilige Johanna" rettet die Wale
Islands neue rot-rotgrüne Übergangsregierung entlässt den Chef der Zentralbank. Zudem kündigt Regierungschefin Jóhanna Sigurdardóttir an, den Walfang einzustellen.
Island versucht einen Neuanfang mit Rot-Rotgrün. Die Koalition aus Sozialdemokraten und "Linken-Grünen", die am Sonntag präsentiert wurde, kündigte eine Regierung "auf neuer sozialer Grundlage" an. Sie bricht eine jahrzehntelange Dominanz der konservativen Selbstständigkeitspartei, der die Hauptschuld für den Finanzkollaps der Insel gegeben wird.
Mit der Sozialdemokratin Jóhanna Sigurdardóttir steht erstmals eine Frau an der Spitze der Regierung. Ihren Spitznamen "Heilige Johanna" verdankt sie ihrem jahrzehntelangen Kampf gegen Korruption. Zur Verwunderung der IsländerInnen interessierten sich aber viele internationale Medien vor allem für ihre Eheschließung mit Jónína, was sie weltweit angeblich zum ersten offen homosexuellen Regierungschef macht.
Auf ihrer ersten Pressekonferenz kündigte die Ministerpräsidentin die Entlassung der Zentralbankspitze an. Chef der Sedlabanki soll künftig ein Finanzexperte sein und nicht wie zuletzt mit Davíd Oddsson ein "verdienter" Politiker. Sein Nachfolger wird Már Gudmundsson, der jetzt beim Internationalen Währungsfonds (IWF) arbeitet. Das soll wohl für gute Kontakte zu den internationalen Kreditgebern sorgen, die Island vor dem Staatsbankrott gerettet haben. Den Posten des Handelsministers bekam der parteilose Wirtschaftsprofessor Gylfi Magnússon. Er hatte schon früh vor dem drohenden Bankenkollaps gewarnt, aber kein Gehör gefunden. Finanz- und Fischereiminister wird der Vorsitzende der "Linken-Grünen", Steingrímur Jóhann Sigfússon. Mit der grünen Umweltministerin Kolbrún Halldórsdóttir will er den Beschluss der Vorgängerregierung, die den Walfang auf fünf weitere Jahre festgeschrieben hatte, die Quoten versechsfachte und zwanzigmal mehr der vom Aussterben bedrohten Finnwale zum Abschuss freigegeben hatte, wieder aufheben. Auch die Sozialdemokraten haben sich gegen eine weitere Waljagd ausgesprochen.
Was den Umgang mit den Folgen der Finanzkrise angeht, konnten sich Linke/Grüne nicht mit ihrer Forderung nach einer teilweisen Enteignung oder einem Einfrieren des Privatvermögens der Finanzjongleure durchsetzen. Hier legte sich die rechtsliberale Fortschrittspartei quer, auf deren Stimmen die Regierung im Parlament für eine Mehrheit angewiesen ist. Stattdessen will man nun besondere Hilfen für überschuldete Kleinunternehmen und Privathaushalte einführen.
Bis Mitte April soll eine Kommission die Grundlagen für einen möglichen EU-Beitritt Islands erarbeiten. Mit ihrem Wunsch nach einer Volksabstimmung über einen EU-Beitrittsantrag gemeinsam mit den Neuwahlen am 25. April scheiterten die Sozialdemokraten aber an den EU-kritischen Linken/Grünen. Deren Finanzminister Sigfússon hat stattdessen Verhandlungen über eine mögliche Währungsunion mit Norwegen angekündigt. Für die zusammengebrochene einheimische Krone wäre das eine schnellere Lösung, als ein EU-Beitritt.
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