■ Neu im Kino: Tex Avery: Sado-Cats & arme Hunde
Neu im Kino: Tex Avery
Sado-Cats & arme Hunde
hier Comic
Ein Disney, der Kafka gelesen hat wurde er genannt; ein Marx Brother des Zeichenfilms ist er gewesen, denn keiner konnte wie er den bösen Wolf mit einem Amboß in den Boden stampfen oder kleine, sadistische Kätzchen auf riesige bedauernswerte Köter loslassen.
Tex Avery hat in den 40er und 50er Jahren mit seinen kurzen Cartoons wohl das wildeste, anzüglicheste und anarchistischste Kino gemacht, das im Hollywoodsystem jemals möglich war. Sein Wolf sah in Rotkäppchen etwas ganz anderes als eine gute Malzeit: die beiden trafen sich auch nicht im Wald, sondern in einem piekfeinen Nachtclub, und als der Wolf sich vor Erregung versteifte und zum Pfeil wurde, weil Rotkäppchen im knappen Kostüm vor ihm tanzte, rochen die Zensoren gleich Sodomie und Bestialität.
Averys Filme laufen immer in Höchstgeschwindigkeit. Von ihm stammt die Erkenntnis, daß das menschliche Auge eine Aktion auf der Leinwand auch dann noch wahrnimmt, wenn sie nur 1/4 Sekunde lang zu sehen ist, und so jagt bei ihm der phlegmatische Spürhund Droopy den entflohenen Wolf in Rekordzeit um den ganzen Erdball.
Im Trickfilm ist alles möglich, und Avery hatte eine unbängige Lust daran, die Gesetze von Physik, Logik, Biologie und gutem Geschmacks in seinen Filmen außer Kraft zu setzen. Seine schönsten und surrealsten Poin0
ten sind ihm immer dann gelungen, wenn er den Film selber, mit seinen Konventionen, der Technik und Projektionsmaschinerie in Frage stellte. So flitzt in „Dumb Hounded“ der Wolf so schnell um die Ecke, daß er aus dem Film geschleudert wird, sich an der Perforation festhalten muß und auf der weißen, leeren Leinwand hängenbleibt. In „Swing Shift Cinderella“ jagt der Wolf das Rotkäppchen am Filmtitel vorbei, um dann auszurufen: „Wir sind im falschen Film“, und in „Red Hot Riding Hood“ wenden sich Wolf, Großmutter und Rotkäppchen direkt an den Regisseur, um sich zu beschweren, daß „jedes Trickfilmstudio diese Geschichte schon so gezeigt“ habe.
Der Kompilationsfilm „The Best of Tex Avery“ zeigt 11 seiner besten Cartoons in der Originalfassung — darunter alle hier erwähnten und den für den Oscar nominierten Anti-Nazi- Comic „Blitz Wolf“, in dem ein Hitler/Wolf gegen drei kleine amerikanische Schweinchen kämpft. Ideal ist diese Präsentation nicht — die Filme sind als kurze, schnelle Appetithappen vor den Hauptattraktionen gedacht, und 85 Minuten pausenlose Raserei sind etwas ermüdend, aber da es im Kino kein Platz mehr für Vorfilme gibt, ist dies wohl die einzige Möglichkeit, Averys wilde Cartoons neu zu entdecken.
Wilfried Hippen
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