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Neu im Kino: Gas Food Lodging: Melancholisches vom Truck-Stop in Laramie

NEU IM KINO:

Gas Food Lodging: Melancholisches vom Truck-Stop in Laramie

Benzin, Essen und Unterkunft für die Trucker auf der Interstate — viel mehr hat das Wüstenkaff Laramie in New Mexiko nicht zu bieten. Und mehr als das Nötigste kann sich auch Nora von ihrem Lohn als Serviererin im Truck Stop nicht leisten. Mit ihren beiden jugendlichen Töchtern lebt sie in einem Wohncontainer; die drei sind unzufrieden, gehen sich auf die Nerven und wissen vor allem eins genau: Von den verschiedenen Männern in ihren Leben haben sie nur Schwierigkeiten zu erwarten. Die Jüngste träumt sich im Kino bei spanischen Schmachtfetzen aus dem trostlosen Alltag heraus, ihre Schwester sagt nie nein zu einem Mann und versinkt als knallhartes Flittchen langsam in aggressivem Selbsthass, und Nora hat eigentlich genug von den kleinen Affären mit verheirateten Verehrern.

Dies hätte leicht ein deprimierender Film voller kritischem Realismus, feministischen Heldinnen und Matcho-Buhmännern werden können, aber Regisseurin Allison Anders hat all diese Fallen geschickt umgangen. Sie erzählt statt dessen mit leisem, trockenen Humor, und sie zeigt die Wüstenlandschaft, den Truckstop und die schäbigen Trailer in melancholischen, schönen Bildern, die an „The last picture show“ oder „Paris/Texas“ erinnern. Der Wim- Wenders-Streifen wird sogar direkt zitiert (die Erinnerungen an glückliche Familientage sind auch hier auf einem Amateurfilm verewigt).

Aber statt der Budweiser Sixpacks tauchen in den Dialogen jetzt Haushaltspackungen mit Tampoons auf, und bei der ruhigen Westernmusik von J. Mascis schaut Brooke Adams auf den staubigen Highway. Als Nora hält sie eine feine Balance zwischen Trauer und Courage, aber auch Ione Skye und Fairuza Balk wirken als ihre Töchter sehr intensiv und immer glaubwürdig.

Der Lebenslauf von Allison Anders hat viele Paralellen zur Filmstory (ohne Vater im ländlichen Westen aufgewachsen, zwei Töchter alleine erzogen), und diese genaue Einsicht in die Situationen und Gedanken der Frauen gibt dem Film eine erstaunliche Authentizität. „Es war hart, so nah an der Geschichte dran zu sein,“ sagte sie selber nach den Dreharbeiten.

In einer der schönsten Szenen besucht die jüngste Tochter einen mexikanischen Freund, trifft dessen taubstumme Mutter, und diese tanzt ausgelassen für sie im Wohnzimmer nach dem Rhythmus der Musik, den sie durch den Fußboden spürt. Ein poetisches Bild, das zugleich traurig, komisch und optimistisch stimmt.

Wilfried Hippen

Schauburg 18., 20.30 Uhr

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