■ Neu im Kino: "Dancin' Thru the Dark": Beirut am River Mersey
“Das sieht hier ja aus wie in Beirut, nur ohne Sonne“. Ganz unrecht hat der Londoner Musiker da nicht, als er auf der Suche nach seinem Auftrittsort durch die verwüsteten Vorstädte von Liverpool fährt. Im „Bransky's“ will die Band spielen, einer Diskothek, wo die Jugend der Beatles- Stadt durch die Nacht tanzt — Dancin' Thru The Dark.
Das Kinodebut des englischen Theater-Regisseurs Mike Ockrent ist eine sehr britische Geschichte und eine besonders liebenswürdige dazu. Erzählt wird ein Nachspiel, ein Ritual, das letzte Mal sozusagen. Was hier in Deutschland „Polterabend“ genannt wird, ist im Vereinigten Königreich eine nach Geschlechtern getrennte Möglichkeit, kurz vor dem Hochzeitstag noch einmal so richtig auf den Putz zu hauen. Braut und Bräutigam ziehen mit ihren FreundInnen als „hens“ und „stags“ durch die Pubs und Diskos. Nur treffen dürfen sich die EhepartnerInnen in spe nicht, das brächte Unglück.
Ockrent hat den morbiden Abbruchcharme Liverpools, die Frustration der dort lebenden jungen Menschen und die gespannte Erwartung auf einen erlebnisreichen Abend mit viel Liebe und Herz inszeniert. „Warum willst Du eigentlich heiraten?“, wird Linda (Claire Hackett) von ihrer besten Freundin gefragt, aber mehr als „Ich bin 21“ fällt ihr nicht ein. Liverpool am River Mersey, das heißt immer noch: keine Arbeit, kein Geld und keine Perspektive. Da tut es einfach mal gut, über die Stränge zu schlagen.
Linda muß darüberhinaus feststellen, daß ihre Jugendliebe Peter (Con O–Neill), der es als Musiker bis in die Charts gebracht hat, ausgerechnet in der Disko „Bransky's“ auftritt, wo sie mit ihren Freundinnen feiern will. Und so richtig turbulent wird es, als Dave, der brave und naive Bräutigam, ausgerechnet mit seiner „stag party“ auch dort auftaucht. Aber Dave kotzt gleich ins Foyer und schläft danach mit dem Kopf in einer Toilettenschüssel. Derweil möchte der Musiker Peter die Braut mit auf Tournee nehmen, während Daves Freunde genau dies verhindern wollen.
Liebe, Hoffnung und Enttäuschung liegen bei Ockrent eng beieinander und verschmelzen zu einem dichten Bild einer berühmten Stadt mit seinen Menschen. Dancin' Thru The Dark ist der gelungene Versuch, Verfall und Lovestory unterhaltsam zu verbinden, weil die Menschen im Film nicht nur nett, sondern auch spannend sind. J.F.Sebastian
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