■ Nebensachen aus Rom: Das kann ich in Italien niemandem erzählen ...
Da sitze ich in der MacDonell- Douglas der Alitalia bequem in dem breiten Sessel und lese im Stern einen Test über den Bordservice großer Fluggesellschaften. Alitalia rangiert ziemlich weit hinten, die Lufthansa ganz vorne.
Keine Ahnung, woher der Stern seine Informationen bezieht: Mein Kalbsrückensteak mit Morchelrahmsoße und Karottenauflauf ist jedenfalls ausgezeichnet, ebenso wie die Alternative, Hummerfleisch mit Tomatenconcassee, das mich mein Nachbar probieren läßt. Umgekehrt hatte mir die im Stern hochgelobte Lufthansa, ebenfalls in der Business Class (mit wesentlich engeren, unbequemeren Sesseln) zwei Tage zuvor als Frühstück zwei Scheiben superscharfe Salami und herben Käse gereicht – und dazu ein süßes Hörnchen; Brötchen gab's keine, „wir sparen Gewicht ein“, sagte die Stewardeß. Daß man scharfe Salami nicht zum süßen Hörnchen mag, leuchtete ihr zwar ein, doch „da können wir nichts für, das bekommen wir in Rom“. Daß wohl die Lufthansa ordert und auf die Zusammensetzung Einfluß nehmen kann, dämmert auch ihr, „aber da kann ich halt nichts dafür“. Jedenfalls: Ein Flug wenige Tage zuvor mit der Alitalia ebenfalls am Morgen hatte ein ganz anderes Frühstück geboten, Schinken und milden Käse und Brötchen dazu, soviel man wollte.
„Früher sagte man, was ich in Italien an schlechtem Service und Chaos erlebt habe, glaubt mir zu Hause in Deutschland keiner. Heute ist es umgekehrt“, sagt ein Passagier neben mir. Er hat recht. Als mein Schwiegervater, 91, diesen Herbst von Frankfurt nach Rom flog, wartete er in Deutschland fast eine Dreiviertelstunde auf den lange vorher angeforderten Rollstuhl – in Rom stand er bereits am Gangway.
Sein blaues Wunder kann der Kunde auch bei anderen öffentlichen Verkehrsmitteln erleben. Im ICE von Hannover nach Stuttgart zum Beispiel, den ich nach einer Veranstaltung in Loccum benutzte, informierte eine Stimme durch den Bordlautsprecher kurz vor Frankfurt: „Aufgrund der inzwischen aufgelaufenen Verspätung von zwanzig Minuten, endet dieser Zug bereits in Frankfurt.“
Der Ersatzzug ist so voll, daß ich zwischen zwei Waggons stehen und die Schiebetüre durch ständigen Druck aufhalten muß, damit der Jungen vor mir nicht eingequetscht wird. Die vielen Eltern, die auf den nachfolgenden Bahnhöfen auf ihre Kinder aus Ferienlagern warten, informiert niemand darüber, daß der Zug bereits in Frankfurt geendet hat.
Einen Tag später fahre ich im Verkehrsverbund von Frankfurt nach Darmstadt. Am Interregio, der kurz vor der Abfahrt steht, zeige ich zwei aussteigenden Schaffnern meine Verbundkarte und will wissen, ob diese gilt – ja, sagen beide. Kaum steige ich ein, wirft mich ihr drinnen waltender Kollege wieder hinaus. Der Zug fährt ab. Am Bahnsteig beschwere ich mich bei den beiden Schaffner von vorhin über ihr Unwissen, worauf sie mich zum Informationsschalter bringen. Es stellt sich heraus, meine Karte sehr wohl gültig war. Sie kommen zum Schluß: „Der Kollege im Zug spinnt wohl.“
Vielleicht nicht nur er: Als ich dann im Bummelzug den dortigen Schaffner frage, wer seiner Ansicht nach recht hat, brummelt er hin und her und meint dann, er selbst hätte mich nicht hinausgeworfen, allerdings einen Zuschlag gefordert.
Wer nach Deutschland kommt, soll offenbar vor allem Beschwerdebüros füllen. Was waren das doch für Zeiten, als man deutschen Beamten und Dienstleistungen noch blindlings vertrauen konnte und sich Ausländer zu Hause die Finger leckten, wenn sie an deutsche Serviceleistungen dachten ... doch wenn ich das in Italien erzähle, glaubt mir sowieso keiner. Werner Raith
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