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■ Nebensachen aus AbidjanEine ganz normale Abschiebung aus Deutschland

Flughafen Kairo, Ägypten, weit nach Mitternacht in der Transithalle. Einige Dutzend schläfrige Reisende kauern sich in die unbequemen orangenen Plastikstühle und warten auf den Flug in die Elfenbeinküste: Ein paar libanesische Geschäftsmänner, Ivorer mit Kind und Kegel, weinende Babys, die auf der Gebetsmatte gewickelt werden, eine Gruppe philippinischer Vertragsarbeiter. Und vier muskulöse Europäer, die von den ägyptischen Sicherheitsbeamten auffallend zuvorkommend bedient werden: Man besorgt ihnen Cola, diskutiert über den Flug, bringt ihnen die Bordkarten.

Die vier Europäer haben schöne rote Diplomatenpässe der Bundesrepublik Deutschland, und mit sich führen sie einen fünften Reisenden: einen erschöpft wirkenden Schwarzen mit zerknitterter Kleidung. Er versucht sich zu setzen – und wird von einem der Deutschen angeschrien: Nicht in den Stuhl, sondern in den daneben soll er! Und die vier Weißen wuchten den dürren Afrikaner mit vereinter Kraft aus der einen Plastikschale in die nächste, wo sie sich um ihn herumgruppieren können. Der Schwarze hebt abwehrend seine Hände – sie sind mit Handschellen gefesselt. Die anderen Transitpassagiere sind mittlerweile hellwach, staunen und schütteln die Köpfe. Was geht hier vor?

Es ist eine ganz normale Abschiebung. Der Schwarze, wie sich herausstellt, ist ein abgelehnter Asylbewerber aus dem Bürgerkriegsland Liberia, und der Weg nach Liberia führt über die Elfenbeinküste. Also geht die Reise in die ivorische Hauptstadt Abidjan. Es ist eine Routineangelegenheit. In Liberia gibt es zwar keine funktionierende Regierung, und ein Drittel der Bevölkerung ist in sechs Jahren Krieg entweder ermordet oder in die Flucht getrieben worden – aber Deutschland gewährt nicht einmal eine Duldung.

Die vier Bewacher mit den Diplomatenpässen stehen in der Schlange zur Paßkontrolle in Abidjan mit als letzte, scherzen und flachsen. Die Frage zum Beruf auf dem Einreiseformular beantworten sie zunächst nicht, bis ein ivorischer Kontrolleur nachfragt. „Beamte“ nennen sie sich schließlich. Von ihrem Schützling ist weit und breit nichts zu sehen.

Das hat einen Grund: Zwar ist der Abgeschobene nach deutscher Rechtsauffassung in Liberia nicht von politischer Verfolgung bedroht, aber für deutsche „Beamte“ ist Liberia zu gefährlich. Sie bleiben in Abidjan, während angeblich eine private Firma den Weitertransport in die liberianische Hauptstadt Monrovia übernimmt. Ob diese Firma sich aber tatsächlich die Mühe macht, den Abgeschobenen aus der Elfenbeinküste nach Liberia zu bringen, oder sie ihn einfach an der nächsten Straßenecke absetzt, weiß niemand. Von einer Kontrolle ist nichts bekannt. Sobald der abgelehnte Afrikaner irgendwo in Afrika ist, scheint für die deutschen Behörden die Aufsichtspflicht zu Ende.

Wie es weiter heißt, lassen sich die Deutschen in solchen Fällen für ihre Strapazen belohnen, indem sie auf dem Rückflug die erste Klasse genießen dürfen. Denn Afrika ist anstrengend. Das sieht man den vier Bewachern des Liberianers am nächsten Morgen an, als sie in der Rezeption der Luxusabsteige „Sofitel“ in Abidjan zufällig dem zu einem Pressetermin eingetroffenen Berichterstatter wieder über den Weg laufen – ausgeruht, in äußerst legerer Kleidung und gar nicht in der Stimmung, als müßten sie schon am selben Tag den Rückflug antreten. Eine Übernachtung im „Sofitel“ kostet derzeit um die 300 Mark. Fünf einfache Hinflüge, vier teurere Rückflüge und mindestens vier Edelübernachtungen – da kommt einiges zusammen: Der deutsche Staat läßt sich eine einzige Abschiebung nach Liberia mehr kosten, als der Durchschnittsliberianer in seinem ganzen Leben zu sehen bekommt. Dominic Johnson

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