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Archiv-Artikel

Nebel und Desinformation

betr.: „Distomo bleibt weiter ungesühnt“ u. a., taz vom 13. 10. 05

Die Bundesregierung verbreitet in der Entschädigungsfrage seit Jahr und Tag Nebel und Desinformation. Das Problem ist die strikte Verweigerung jedweder Entschädigung gerade derjenigen griechischen Opfer des sog. Partisanenkrieges, die nicht unter die Regelung des Bundes zur Entschädigung von NS-Unrecht, sondern unter den Fragenkomplex „Reparationen“ fallen. Wie Norman Paech (in: Kritische Justiz, 3, 1999) zeigte, stehen der modernen zwischenstaatlichen Entschädigungspraxis vertragliche Mittel zur Verfügung, die sowohl individuellen Ansprüchen der Geschädigten wie auch dem Schutzbedürfnis des Staates gerecht werden. Die gerichtliche Einforderung von Entschädigungsleistungen durch die Opfer bzw. Nachkommen der Massaker muss daher nicht an der Immunität der Bundesrepublik scheitern.

Der Skandal liegt darin, dass nach der während fünf Jahrzehnten von der deutschen Seite strikt aufgeschobenen und dann einseitig für nicht existent bzw. erledigt erklärten Reparationsfrage seit 1997 – dem Jahr der Klageeinreichung der Überlebenden von Distomo – keinerlei Impulse oder Initiativen von der Bonner bzw. Berliner Politik ausgegangen sind, wenigstens für die (nunmehr klagenden) Opfer und Hinterbliebenen eine Entschädigungsregelung unter Umgehung der streitigen Reparationsfrage zu erreichen. Es hat nicht einmal für eine billige Geste, etwa den Bau eines Krankenhauses oder einer Schule, gereicht. Die Enttäuschung gilt Politikern wie Gerhard Schröder, Joschka Fischer und Johannes Rau, die beschworen wurden, hier etwas zu tun. Stattdessen auf deren Seite wiederholt belegtes Desinteresse, Ignoranz und selbst Arroganz, mit der dem griechischen Staat und seinen Bürgern wieder einmal die absolute Nachrangigkeit im Gefüge der europäischen Beziehungen zusätzlich bescheinigt wird. Gerade vor solch bitterem, in Griechenland gut erinnertem und nicht vergessenem Hintergrund wäre das Erarbeiten wenigstens von Ansätzen einer politischen Lösung doch ein unendlich wichtiger Beitrag gewesen. THOMAS KELLER, Frankfurt am Main