Nazirockfestival in Gera: Protest bedrängt braunen Sound
Auch dieses Jahr fand in Gera das Nazifestival "Rock für Deutschland" statt. Neugierige Jugendliche blieben eher fern, was mit an den erstmalig stattfindenden Gegendemos lag.
GERA taz | Auf den Straßen von Gera war es heiß, sehr heiß. Kein Lüftchen, das den Demonstranten gegen das Neonazifestival "Rock für Deutschland", etwas Erleichterung verschaffte. Bei Temperaturen um die 35 Grad nahmen am Samstag über 1.000 Menschen an unterschiedlichen Protesten teil – vom Gottesdienst, Kundgebungen, bis hin zu Blockaden auf klebrigem Straßenteer Um kurz nach 12.30 stand dennoch die erste Rechtsrockband auf der Bühne.
"Der Protest ist breiter geworden. Die Neonaziszene spürt, dass sie nun auch langsam in Gera unerwünscht sind", sagt dennoch Hannes Roth, Sprecher eines Aktionsbündnisses von Antifa-Initiativen, Gewerkschaften, Kirchen, Parteien und Einzelpersonen, das zu den Anti-Nazi-Protesten aufgerufen hatte. Seit 2003 findet in der ostthüringischen Stadt das Rechtsrockfestival statt, bei dem Party und Politik ineinander übergehen - bisher weitgehend ohne merklichen Protest. Die Neonazis kamen, die Einwohner schauten weg. Längst hat sich der Event mitten in der Stadt, auf der so genannten Spielwiese, zu Europas größtem Neonazifestival entwickelt.
Ausbleibender Protest gleich ansteigender Zulauf? Roth möchte diesen Zusammenhang nicht verschweigen. Auf der Straße bei den Demonstranten erklärte aber jetzt auch Oberbürgermeister Norbert Vornehm: "Fremdenfeindlichkeit hat in Gera keinen Platz. Wir werden erst aufhören, wenn die Spielwiese uns gehört und nicht den Rechten".
Unter dem Motto "The Party is over" hatte das Aktionsbündnis mit Mitteln des zivilen Ungehorsams das Rechtsrockfestival zu verhindern versucht. Schon früh waren zwei strategisch wichtige Brücken in der Stadt besetzt. "Kein Eis für Nazis", stand auf einem Transparent; "Das Gestern im Heute begreifen – Nazis blockieren" zierte ein weiteres Banner.
Bunt und laut war es trotz Sonnenbrandgefahr rund um die "Spielwiese". "Glück gehabt, wir haben etwas Schatten", meinte eine Demonstrantin und schaute zu einer Blockade. Dort wurde von jungen und älteren Demonstranten Regenschirme als Sonnenschutz genutzt. Der Geraer Stadtjugendpfarrer Michael Keim erklärte zu dem von der NPD angemeldeten "Rock für Deutschland": "Das sind nicht bloß irgendwelche Leute, die Musik machen, das ist wirklich Hass pur". Auf der Heinrichbrücke war die Blockade aber nicht breit genug. Durch eine schmale, von der Polizei abgeschirmte Gasse konnten Neonazis zum Konzert gelangen.
Auf der "Spielwiese" hatten die Veranstalter um den NPD-Stadtrat Gordon Richter schon am Freitagabend mit dem Aufbau beginnen können. Vor dem Verwaltungsgericht Gera hatte die NPD die Nutzung erstritten. Herzlich begrüßte der thüringische Landeschef und Bundesvize Frank Schwerdt die rund 1.200 Fans und wetterte gegen die Globalisierung". "Wir bleiben braun" prangte auf dem T-Shirt eines Kameraden im Chic der "Autonomen Nationalisten". Das T-Shirt eines Glatzkopfs zierte ein Reichsadler und "Sturm 18"- ein Zahlencode für "Adolf Hitler". An den Ständen von der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" oder vom "Germania Versand" konnten Propagandamaterial und Devotionalien erworben werden.
Bei den Bands "Carpe Diem" und "Frontalkraft" gingen die Fans, unter denen viele Mädchen und Frauen waren, voll mit. Der Song "Schwarz ist die Nacht" von "Frontalkraft" ist längst ein Szenehit: "Schwarz ist die Nacht, in der wir euch kriegen, Weiß sind die Männer, die für Deutschland siegen, Rot ist das Blut, auf dem Asphalt...". Auf Bierbänken konnten sich die Besucher zwischen den Auftritten der weiteren vier Szenebands erholen oder den Reden lauschen. Der JN-Chef Michael Schäfer warnte, "dass die Roten nicht an die Macht kommen" dürften, und dass die "Deutschen" bald eine "Minderheit" im eigenen Land seien. "Tod und Vernichtung dem roten Mob" erklärte deutlicher Andreas Storr, Abgeordneter der NPD-Fraktion in Sachsen.
In der Szene wird der Event aber nicht bloß gefeiert. Ein Grund für Missstimmungen ist die gesunkene Teilnehmerzahl. Noch im vergangenen Jahr waren über 4.000 Besucher zum "Rock für Deutschland" gekommen. Einer der Stars der Szene, Michael Regener, der Frontmann der "Lunikoff-Verschwörung", zog damals die Rechtsrockfans an. Christoph Ellinghaus vom Aktionsnetzwerk betont, dass 2009 das Konzert zudem mitten in die Landtagswahl der NPD eingebettet war. Er denkt, dass dieses Mal vor allem, "durch den angekündigten Protest die rechtsoffene Jugendszene fern blieb". "Auch wenn es uns nicht gelungen ist, das Nazi-Konzert zu verhindern, hat die öffentliche Kampagne und unsere Entschlossenheit offensichtlich viele potentielle Teilnehmer abgeschreckt“, sagt ebenso Mariana Thiele vom Aktionsnetzwerk.
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