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taz FUTURZWEI

Nationalismus oder Fantum Wofür steht die Fahne?

Ist es okay zur EM die deutsche Fahne zu schwenken? taz-FUTURZWEI-Chefredakteur Peter Unfried hat da eine klare Meinung.

Man kann dem Streit um die Symbole nicht ausweichen, meint Peter Unfried Foto: Foto: Joerg Carstensen/dpa

taz FUTURZWEI | Es sollte mittlerweile auch dem hartnäckigsten Ströbelevermächtnis-Linken klar sein, dass die deutsche Nationalmannschaft ein Fußballteam ist und ihre Affirmation kein Ausdruck von Nationalismus, wie man noch Ende des letzten Jahrhunderts fürchtete – sondern von Fantum. Die meisten Leute haben einen Fußballclub, dem sie ihre Hauptemotionen widmen, bei traditionell geprägten in der Regel auf familiärer und lokaler oder regionaler Grundlage. Bei Jüngeren sind es oft auch globale Fußballmarken (FC Barcelona, FC Liverpool und so weiter).

Da bei einer Europameisterschaft aber keine Clubs spielen, tun die meisten das Naheliegende und unterstützen das Team des Fußballverbands jenes Landes, das ihren Pass ausgestellt hat, ihre Freiheit gewährleistet, ihnen Schulen, Unis, Theater, Straßen und Gehsteige gebaut hat und Kindergeld und so weiter auszahlt. Im Fall von Bundesbürgern also das Team, das „Deutschland“ genannt wird. Es geht im Grunde darum, über das Fantum für dieses Team eine stärkere emotionale Verbindung zum Turnier zu haben und den Fußball, aber vor allem sich zu spüren.

Fußballfest einer liberaldemokratischen europäischen Gesellschaft

Nun sind Ausdruck und Grad von Fantum sehr unterschiedlich. Für manche gehört auch das Schwenken einer Fahne im Stadion oder das Raushängen zu Hause aus dem Fenster dazu. Das ist selbstverständlich auch im Fall der Nationalmannschaft in Ordnung und völlig „normal“. Das gilt erst recht, da Nazis und Rechtspopulisten immer wieder versuchen, die Fahne der Bundesrepublik als die ihre zu etablieren und sie als Zeichen zu vereinnahmen für ihre politischen oder gesellschaftlichen Vorstellungen und Vorlieben, etwa Xenophobie, Misogynie, Homophobie und eben Nationalismus.

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taz FUTURZWEI N°29: Kann der Westen weg?

Europa und Nordamerika haben viel vorangebracht und einiges verbockt. Nun geht es so nicht mehr weiter. Aber wie dann? Es kann schon morgen oder übermorgen vorbei sein mit dem Westen.

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Deshalb ist es fundamental, dass alle Fahnen aller teilnehmenden Fußballteams im Land sichtbar sind, auch die deutsche, als Symbole eines (hoffentlich) gemeinsamen Fußballfestes einer liberaldemokratischen europäischen Gesellschaft.

Streit um Definitionshoheit?

Die Fahne der Bundesrepublik Deutschland seht für das Grundgesetz und die liberale Demokratie, für unsere ausbaufähige, aber durchaus entwickelte bürgerliche und geschlechterpolitische Emanzipation, für eine Gesellschaft, die durch Übernahme einer dauerhaften Verantwortung für die deutschen Angriffskriege des 20. Jahrhunderts und das Menschheitsverbrechen des Holocausts in ihrer überwältigenden Mehrheit geläutert ist von nationalistisch motiviertem Wahnsinn.

Nun sind die Demokratiefeinde der AfD längst dabei, Begriffe und Symbole nach ihrem Verständnis von Patriotismus zu besetzen und umzudefinieren. „Alternative“ steht nun für autoritäre, illiberale Alternative zur liberalen Demokratie. „Deutschland“ soll für eine Gesellschaft stehen, die Teile der Deutschen deportiert, weil sie zwar einen deutschen Pass haben, aber keinen germanischen Ahnenpass, „Patrioten“ für Leute, die das gut finden und voranbringen wollen. Die Fahne der Bundesrepublik soll zum Symbol für ein solches Land, für eine solche Gesellschaft umfunktioniert werden.

Man kann dem Streit um die Symbole nicht ausweichen und man darf ihm nicht ausweichen. Nicht die sagen, wofür Deutschland, wofür die deutsche Fahne steht – wir bestimmen das. Und deshalb können wir sie als Patrioten einer offenen, liberalen, demokratischen Gesellschaft offensiv schwenken und raushängen. Und zwar nicht nur, wenn EM ist.

Dieser Beitrag ist im Magazin taz FUTURZWEI N°29 erschienen. Lesen Sie weiter: Die aktuelle Ausgabe von taz FUTURZWEI gibt es im taz Shop.